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INTERVIEW MIT MARTINA LIPPERT

PFLEGEDIENST MARTINA LIPPERT

Frau Lippert wie haben Sie in der Pflege angefangen?
Ich habe 1986 als Aushilfe in der Ambulanten Krankenpflege in einer Diakonie in Lingen angefangen. Und das war auch schon ein sogenannter Knackpunkt für mich.

Was meinen Sie?
Nun, ich wurde nur stundenweise beschäftigt, hatte kein Auto und wurde gerufen, wenn es Arbeit gab.

Das war anfangs für mich in Ordnung, jedoch später hätte ich gern eine Festanstellung gehabt.

In Lingen gab es 5 Gemeindekrankenschwestern der evangelischen Kirchengemeinden.

Die Stimmung untereinander war sehr gut; was fehlte, das war die Kundenorientierung. So erinnere ich mich, dass mal eine Mitarbeiterin fragte, ob sie auch am Wochenende Patienten besuchen müsse.

Damit waren ja die Patienten und die Angehörigen faktisch am Wochenende sich überwiegend selbst überlassen – mussten sich also selbst versorgen.

Für mich aber war es selbstverständlich, die Patienten abends und am Wochenende weiter zu versorgen.

Diese Einstellung haben heute ebenso meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unserem Unternehmen. Anders ist ja individuelle Pflege gar nicht machbar.

Oder ein anderes Beispiel: Wenn ich gerufen wurde, musste ich ja zu den Patienten kommen. Also brauchte ich einen Dienstwagen. Der wurde mir aber als Aushilfekraft nicht bewilligt.

Dabei waren es ja ca. 16 Patienten, die ich zu versorgen hatte – zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Orten.
Schließlich bekam ich doch noch ein Dienstauto.

Da hatte ich etwas Glück, denn der Zuschuss dafür war wohl schon bewilligt und so musste in ein Fahrzeug investiert werden, wenn die Gelder nicht verfallen sollten.

Übrigens, als ich das Auto hatte, führte mich meine erste Dienstreise nach Hannover.

Dort fand ein Kongress der DMSG – Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft. Ich erinnere mich, dass Rita Süssmuth die Präsidentin des Verbandes war.

Aber was ich auch tat: Es gelang mir nicht, in eine Festanstellung zu kommen.

Damals hörte ich stets den Satz: Sie sind verheiratet, haben drei Kinder und sind damit versorgt. Ich wollte eigentlich nur eine 20- Stunden- Stelle, aber es führte kein Weg dorthin.

Wann haben Sie eigentlich die Ausbildung zur Krankenschwester absolviert?
Von 1976 bis1979.
Ich war in der Zeit das erste Mal schwanger und habe trotzdem keinen Tag gefehlt.

Wie ging es weiter?
1979 bin ich mit meinem Lebensgefährten und späteren Ehemann nach Lübeck gezogen.

Ich habe dort für ein halbes Jahr auf einer Intensivstation in einem Diakonissenkrankenhaus gearbeitet – ich war für diese Arbeit aber noch zu jung.

1980 bin ich dann in eine Facharztpraxis für Psychiatrie und Psychologie gegangen.
Das waren tolle und vor allem wertvolle Jahre.

Das war also eine sehr lehrreiche Zeit für Sie, oder?
Ja, auf jeden Fall. Dort habe ich vieles an Wissen und Erfahrung mitgenommen, was ich heute noch gut im Umgang mit Demenzkranken nutzen kann.

Und ich habe zum Beispiel in der Zeit der Infusionstherapie viele Lebensgeschichten von Menschen gehört.
1983 bin ich nach Kiel mit meinem Mann gezogen.

Dort war ich hochschwanger und viel allein auf mich gestellt.
14 Tage vor der Geburt unserer Tochter musste mein Mann dienstlich nach München, um dort zu arbeiten.

Also keine leichte Zeit für Sie?
Nein, das nicht. Aber ich war wie ein Segelboot- immer quer gegen die Wellen und habe mich durchgebissen.

Im Oktober 1983 ging es ins Emsland, nach Lingen.
Lingen, das ist eine tolle Stadt, ruhig und familienfreundlich. Mitte 1986 habe ich dort begonnen, als Aushilfe zu arbeiten.

Wie gesagt, ich habe mich viel beworben, wollte festangestellt in meinem Beruf arbeiten. Im Sommer 1986 bewarb ich mich zum Beispiel auf eine vom Arbeitsamt ausgeschriebene Stelle für eine katholische Sozialstation.

Ich war allerdings evangelisch, und so bekam ich die Stelle nicht.
Aber: Ich war ein Jahr lang in einem katholischen Krankenhaus in Meppen als Aushilfe in der Nachtwache tätig.

Anfang 1992 bin ich in einen ambulanten Pflegedienst gegangen und habe dort als Pflegedienstleitung gearbeitet – bei der Bürgerhilfe e.V in Lingen.

Wann kam bei Ihnen der Gedanke auf, sich selbstständig zu machen?
Der kam schon ziemlich früh, nachdem mir klar wurde, dass ich keine Festanstellung bekam. Da erfuhr ich, dass ein ehemaliger Kollege aus dem Krankenhaus Lingen die Zulassung zu einem privaten Pflegedienst erhielt.

Und das, obwohl er keine Erfahrung in der ambulanten Pflege besaß. Also ging ich ebenfalls zur Krankenkasse, um einen Antrag auf einen Pflegedienst zu stellen. Die Krankenkasse hat das zunächst abgelehnt.

Was gab die Kasse als Grund an?
Ich hätte für zwei Jahre Vollzeit innerhalb der letzten zwei Jahre in einem Krankenhaus arbeiten müssen.

Dann habe ich mir aber die Unterstützung von der damaligen Frauenbeauftragten der Stadt Lingen geholt.

Wir gingen noch einmal zur Krankenkasse, legten unseren Standpunkt da, und siehe da, wenig später hatte ich die Genehmigung, einen eigenen Pflegedienst zu eröffnen.

Wann war das?
Ich bekam am 01.10.1994 die Zulassung und am 01.11. 1994 habe ich den Pflegedienst eröffnet.

Was war die Initialzündung dafür, dass Sie sich selbstständig machen wollten?
Die Ungleichbehandlung in der damaligen Zeit von Mann und Frau hat mich darauf gebracht. Ich wollte immer eine festangestellte Tätigkeit als Krankenschwester ausüben.

Tatsächlich bekam ich aber immer wieder das Argument zu hören, dass ich ja eine Familie hätte, einen Mann und Kinder und so versorgt war.

Was fiel Ihnen leicht am Anfang Ihrer Selbstständigkeit und was war schwer für Sie?
Ich musste mir natürlich erst einmal einen Namen machen. Ich habe also Ärzte in Lingen aufgesucht, mich vorgestellt und ihnen erklärt, dass ich auch abends und am Wochenende Patienten unterstützen will.

Kurzum: Ich habe meine Hilfe und Unterstützung angeboten – da, wo sie gebraucht wurde. Wichtig war für mich, betriebswirtschaftlich das Fundament für meine Firma zu schaffen.

Ich habe mich also auch auf diesem Gebiet fortgebildet. Mehrere Jahre lang betrieb ich faktisch Selbstausbeutung, habe alle Pflege- und Betreuungsaufgaben selbst wahrgenommen, und ich habe neben meiner Pflegetätigkeit verschiedene Fortbildungen absolviert.

Was verstehen Sie unter individueller Pflege?
Individuell pflegen bedeutet für mich, fachlich gut ausgebildet zu sein. Ich muss zum Beispiel rechtzeitig Gefahrenpotenzial erkennen, Maßnahmen dagegen beim Patienten einleiten und entsprechende Hilfe und Unterstützung anbieten.

Wichtig ist auch, nicht allein zu agieren, sondern sich rechtzeitig Hilfe zu holen.

Und: Man muss sich fachlich abgrenzen. Es gibt keine Alleskönner. Vielmehr geht es darum, die fachlichen Stärken und Kompetenzen anderer Kollegen mit in die Pflege und Betreuung einzubinden.

Ein weiteres Merkmal individueller Pflege ist, den Pflegebedürftigen die Zeit zu widmen, die für Sie vorgesehen ist, und ihnen die ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken, ihnen einfach zuhören, mit ihnen über ihre Sorgen und auch Freuden sprechen.

Frau Lippert, was ist für Sie Glück?
Wenn ich zufriedene Mitarbeiter habe. Inzwischen bin ich froh, dass ich meine Tochter an meiner Seite in der Geschäftsführung habe. Sie ist ein echtes Organisationstalent.
Das entlastet mich natürlich sehr. Außerdem: Für mich gehört zum persönlich Glück die Gesundheit und frei entscheiden zu können.

Es läuft also gut in der Geschäftsführung?
Auf jeden Fall. Natürlich hat alles seine Zeit. Meine Tochter, Anne-Christine Lippert, musste sich ja auch in den vergangenen Jahren einarbeiten, sich zur PDL qualifizieren, sich betriebswirtschaftlich weiterbilden.

Sie ist heute die Mitgesellschafterin und stellvertretende Pflegedienstleitung und leistet eine verlässliche Arbeit.

Würden Sie den Weg so noch einmal gehen?
Die Frage ist so schwer mit ja oder nein zu beantworten. Auf jeden Fall habe ich die Bürokratie unterschätzt, die mit dem Beruf der Pflege verbunden ist.

Mir wäre daran gelegen, dass die eigentliche fachliche Seite der Pflege wieder mehr in den Vordergrund rückt. Aber grundsätzlich gesagt, ist die Pflege schon mein Leben.

Ich besuche zum Beispiel heute noch Leute, die wir gepflegt haben, und die jetzt im Pflegeheim leben.

Mich interessieren die Menschen, für die ich die Arbeit mache, deren Wohlergehen. Insofern ist das schon eine sehr schöne Arbeit.
Frau Lippert, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Kontakt:
Pflegedienst Lippert GmbH
Martina Lippert
Geschäftsführende Gesellschafterin
Lindenstraße 1a
49808 Lingen
Tel.: 0591 / 80740990
Fax: 0591 / 67674
E-Mail: info@pflegedienst-lingen.de
http://www.pflegedienst-lingen.de

 

 

 

EINEN SATZ NACH DEM ANDEREN SAGEN

ANNA-2017.05.23

AUDIO: https://uwemuellererzaehlt.de/2021/05/25/anna-2021-05-25/
EINFÜHRUNG:
Laura ist zu Besuch. Peter versucht Laura zu erklären, warum Anna nicht mehr alles versteht.

Sonntagabend.

Klara hatte noch einmal bei Anna angerufen. Sie wollte nicht, dass ihre Mutter nun vielleicht durcheinander war, weil Laura ihr am Telefon nicht richtig erklärt hatte, dass sie unverhofft aus Berlin zu Besuch gekommen war.

Es war für keinen leicht, mit der Demenz von Anna umzugehen. Nicht für Klara, für Peter nicht und auch nicht für Laura.

„Du musst mit Oma gehirngerecht kommunizieren.“

„Papa, was ist das für ein Quatsch?“, protestierte Laura.

„Ja, wahrscheinlich hast du Recht. Was ich damit sagen will: Oma kann nicht mehrere Informationen gleichzeitig verarbeiten. Das verwirrt sie.“

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BETTINA TIETJEN:
‚Unter Tränen gelacht: Mein Vater, die Demenz 
und ich‘

„Was meinst du?“, fragte Laura.

„Nun, du gehst an unser Telefon. Für Oma müsste jetzt Mama am Hörer sein. Stattdessen hört sie deine Stimme. Für sie wohnst du in Berlin und bist jetzt auch in Berlin.

Wir wiederum sind für sie da, wohin sie jetzt auch anruft, im Dorf in der Nähe von Berlin. Also solltest du erst einmal sagen, dass du bei uns spontan zu Besuch bist, in Brandenburg.“

„Spontan zu Besuch?“, fragte Laura dazwischen.

„Das versteht sie doch erst recht nicht.“

„Aber stell dir vor, du würdest die Informationen per Rohrpost versenden – ein Satz folgt auf den anderen, und sie gehen alle in die gleiche Richtung.

Da kannst du ja auch nicht mit dem letzten Satz anfangen, sondern du schiebst den ersten Satz zuerst durch.“

„Na gut Papa, das ist mir zu blöd.“ Peter schwieg. Laura lag vermutlich richtig.

Er war eben auch nicht trainiert auf die Kommunikation mit demenzkranken Menschen.

MEHR LESEN: https://uwemuellererzaehlt.de/anna-ist-dement/

 

 

 

 

 

INTERVIEW MIT BARBARA WENDERS

MENSCHEN IM ALLTAG-2017.03.16

Barbara Wenders ist Mitinhaberin und Pflegedienstleiterin des ambulanten Pflegedienstes EPIS in Duisburg.

Frau Wenders, Sie gehen in das zwanzigste Jahr des Bestehens Ihres Pflegedienstes. Wann wurde der Pflegedienst genau gegründet?
Am 01.10.1996. Er wird also im Oktober (2016 der Autor) 20 Jahre alt.

Was ist Ihnen am Anfang leicht gefallen und wo hatten Sie Schwierigkeiten, hineinzuwachsen?
Am schwierigsten war es, die betriebswirtschaftlichen Abläufe zu beherrschen – mit den Steuern und Abrechnungen klarzukommen.
Überhaupt war die ganze Verwaltungssache etwas, wo ich noch recht unerfahren war.

Ich habe mich da autodidaktisch hineinbegeben müssen.
Das alles bekam für mich später einen strukturierten Hintergrund, nämlich als ich eine Ausbildung zur Pflegedienstleitung für ambulante Dienste absolvierte.

Da waren diese fachlichen Inhalte im Lehrprogramm mitenthalten.
Erschwerend kam damals hinzu, dass wir mit dem ersten Steuerberater erhebliche Probleme hatten.

Er kannte die Materie nicht. Wir haben dann zu einer anderen Steuerberatung gewechselt. Danach lief es gut und wir bekamen den kaufmännischen Part in den Griff.

Wie verlief Ihr beruflicher Werdegang vor der Gründung des Pflegedienstes?
Ich habe mit 16 Jahren die Schule verlassen, nach dem Abschluss der zehnten Klasse.

Danach war ich in einem katholischen Krankenhaus in Berlin –  Friedrichshagen.

Dort begann ich ein praktisches Jahr. Das musste sein, da ich sonst keine Ausbildung an einer staatlichen Schule für Krankenschwestern hätte absolvieren können.

Nach drei Jahren habe ich die Schule abgeschlossen.
Kurz danach wurde ich schwanger. Ich ging nach Neustrelitz und habe dort in dem städtischen Krankenhaus gearbeitet.

1982 wurde meine erste Tochter geboren. Wiederum später bin ich in ein städtisches Krankenhaus nach Berlin – Mitte gegangen.

Ich hatte inzwischen zwei Kinder und konnte nicht mehr im Schichtsystem als Krankenschwester arbeiten und bin in die Verwaltung eines Betriebsgesundheitswesens gewechselt.

Zur gleichen Zeit begann ich eine Fortbildung zum Ökonomen des Gesundheits- und Sozialwesens.

Wie ging es weiter?
Im Oktober 1989 bin ich aus der damaligen DDR in die Bundesrepublik geflohen – über die grüne Grenze.

Wir sind in Duisburg gelandet. Dort lebte eine Freundin von mir.
Zunächst begann ich  in einer Sozialstation zu arbeiten.

Dort war ich anderthalb Jahre. Die Arbeit hat mich einiges gelehrt.
Aber die Bedingungen waren schlecht.

Können Sie das erklären?
Ja. Wir haben faktisch im Akkord gearbeitet – 25 Patienten, die auf einer Tour zu versorgen waren. Deshalb gab es  auch eine hohe Fluktuation.

Es war immer jemand krank gemeldet. Der Stress war einfach zu groß. Und  jeder hat nur gewartet, bis ein anderer Kollege wieder da war und, um sich anschließend selbst krank zu melden.

Für mich waren das keine Zustände – weder für die Patienten noch für uns als Mitarbeiter. Schließlich habe ich gekündigt.

Und dann?
Ich ging zurück ins Krankenhaus und habe knapp zwei Jahre Nachtschichten gemacht.

Das war sehr hart für mich. Ich kam schwer damit klar. Deshalb wechselte ich wieder in einen ambulanten Pflegedienst. Dort lernte ich übrigens meinen zweiten Mann kennen.

Was war das ausschlaggebende Motiv, selbst einen Pflegedienst zu eröffnen?
Na ja, mein Mann und ich haben uns überlegt: Das können wir auch selbst organisieren. Also haben wir den Schritt im Oktober 1996 gewagt.

Wir begannen damit Patienten zu betreuen, die künstlich ernährt werden mussten. Das waren zum Beispiel Menschen mit einer HIV- Infektion, oder Krebspatienten.

Mit der Entwicklung unseres Pflegedienstes kamen andere Bereiche hinzu. Wir haben nach und nach alle wichtigen Leistungsbereiche in der Pflege angeboten,  waren sozusagen mit der Zeit ganzheitlich im Portfolio aufgestellt.

Was hat sich geändert gegenüber 1996, wenn Sie heute die Pflege und Betreuung ansehen?
Wenn ich noch an die Sozialstation denke, wo ich vor über zwanzig Jahren begonnen habe – und jetzt unsere Art zu pflegen und zu betreuen sehe, dann weiß ich – da liegen einfach Welten dazwischen.

Wir haben einen Familienbetrieb aufgebaut. Das macht schon stolz. Unsere beiden Töchter arbeiten hier.

Und wir haben eine sehr geringe Mitarbeiterfluktuation bei uns. Ich denke, das liegt daran, dass sich in den vergangenen Jahren ein sehr gutes Team zusammengefunden hat.

Mitarbeiter, die wie wir engagiert sind. Wir haben zum Beispiel eine Pflegedienstleiterin, Frau Thyssen – Fett: Sie ist echt eine Perle.

Wir haben schon manchmal scherzhaft gesagt: Wenn sie aufhört, dann machen wir unsere Einrichtung zu.Oder: Es gibt eine Mitarbeiterin, die bereits 19 Jahre mit uns zusammenarbeitet.

Andere sind ebenfalls bereits über 10 Jahre oder eben sehr lange bei uns. Das bekommen Sie doch nur hin, wenn das Klima stimmt, die Leute sich einfach wohlfühlen.

Die Firma ist heute der älteren Tochter überschrieben – Maria Spellier. Sie  hat inzwischen zusätzlich eine Ausbildung zur Qualitätsmanagerin gemacht.

Die jüngere Tochter Stefanie ist Altenpflegerin und macht gegenwärtig eine Ausbildung zur Praxisanleiterin.

Wie war die Zusammenarbeit mit Ihrem Mann?
Die Zusammenarbeit war sehr gut. Er war der Praktiker. Ihn hat nie die Verwaltung interessiert, sondern nur die Pflege und Betreuung.
Ich musste mich also darum allein kümmern.

Und es war nicht leicht am Anfang alles unter einen Hut zu bekommen – die Pflege, die Verwaltung, die Mitarbeiterführung und die Erziehung der Kinder.

Aber mein Mann war ein Fachexperte, ging einfach in seinem Beruf auf und hat mir auf seine Weise viel Kraft gespendet und den Rücken gestärkt. Heute ist er in Rente.

Was ist  aus Ihrer Sicht der Grund, dass es in anderen Einrichtungen und Pflegediensten nicht so klappt, der Ruf mitunter eher schlecht ist?
Wissen Sie, es gibt immer schwarze Schafe. Oft kann der einzelne Mitarbeiter dafür ja gar nichts.

Wenn zum Beispiel zu einem Kunden stets andere Mitarbeiter kommen.  Oder: Die Zeiten sind stets unterschiedlich, zu denen die Pflegebedürftigen besucht werden.

Dann bekommen die Pflegebedürftigen natürlich einen schlechten Eindruck von dem Pflegedienst, der dafür zuständig ist.

Was sagen Sie dazu, die Ausbildung jetzt generalistisch zu organisieren?
Es gibt Aspekte, die dafür sprechen und Argumente dagegen.

Welche?
Dafür spricht sicherlich, die Ausbildung in Gesundheit und Pflege weiter zu vereinheitlichen, sie stärker in der Gesellschaft aufzuwerten, junge Leute für den Beruf zu gewinnen.

Und dagegen?
Weiter diskutieren sollte man: Was ist zum Beispiel, wenn ein kleiner ambulanter Pflegedienst einem Auszubildenden die Pflege und Betreuung im Alltag nahe bringen will, der jedoch zum Praktikum ins Krankenhaus geht?

Wie ausgewogen wird das zum Beispiel organisiert? Müssen wir eventuell eine junge Fachkraft später nachqualifizieren,
weil die praktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten für die Pflege nicht ausreichen?

Das ist ja auch eine wirtschaftliche Frage.
Ich denke, hier brauchen wir noch mehr Klarheit.

Was macht für Sie individuelle Pflege und Betreuung aus?
Wichtig ist für uns die Bezugspflege – jeder Kunde soll wissen, wer für ihn zuständig ist. Das schafft Vertrauen.

Individuell pflegen und betreuen heißt für uns, die wirklichen Wünsche und Bedürfnisse der Menschen zu respektieren,
also das, was er an Hilfebedarf benötigt. Es sind ja nun auch zusätzliche Beratungsbesuche bei Veränderungen der Pflegesituation möglich.  Das war früher nicht so.

Es gibt mit der Einführung der neuen Begutachtungsrichtlinien ab nächstes Jahr ganz andere Möglichkeiten, die Situation der einzelnen Pflege-  und Hilfsbedürftigen spezifisch zu erfassen.

Allein die Eingangsfragen, die hier gestellt werden führen zielgenauer dorthin, wo die wirklichen Probleme der einzelnen Menschen liegen – zum Beispiel:  Was ist das Hauptproblem der Pflegesituation? Was würden Sie sofort ändern, wenn Sie es könnten? Welche Informationen könnten helfen?

Das sind nur einige wenige Beispiele. Wir werden das alles sehr genau in den nächsten Wochen und Monaten mitverfolgen
und in unserem Bereich umsetzen – für die weitere Verbesserung der Pflegequalität für unsere Kunden.

Frau Wenders, ich danke Ihnen für das Gespräch.

INTERVIEW MIT EVA HILLEBRECHT

MENSCHEN IM ALLTAG-2017.03.01

Eva Hillebrecht, Inhaberin des Pflegedienstes
Danz Consult in Kassel

Das Interview wurde am 24.02.2016 geführt

Frau Hillebrecht, Sie haben über zweieinhalb Jahrzehnte im medizinischen Dienst gearbeitet, bevor Sie in die Pflege gewechselt sind.
Welche Erfahrungen aus diesem Bereich haben Ihnen später in der Pflege besonders genutzt?

Ich habe im Laufe der Jahre auf verschiedenen Stationen gearbeitet – Allgemeinchirurgie, Unfallchirurgie, HNO, Augen, Urologie und Orthopädie. Meine Erfahrung war, dass der Patient nicht wirklich im Mittelpunkt des Interesses stand. Das klingt hart, war aber so.

Können Sie das mal näher erläutern?

Ja. Ich erinnere mich an einen Fall, da ging es um einen Patienten, der Krebs hatte.

Er wollte sehr gern nach Hause, um die letzte Zeit im Kreise seiner Lieben zu verbringen. Da es sich um ein urologisches Leiden handelte, musste täglich gespült werden.

Angeblich ging das nur im Krankenhaus auf der Station. Doch ich erkundigte mich und fand heraus, dass es einen 5- Liter Beutel für diese Zwecke gab.

Die Spülung für den Patienten hätte also auch von Zuhause aus bewerkstelligt werden können. Als ich dies dem Chefarzt vortrug, fuhr dieser mir über den Mund: „Sie verstehen als Schwester davon nichts!“

Hier sprachen „Götter in Weiß“ und ich hatte keine Chance, dagegen anzugehen. Es ging ja gar nicht um mich: Auf der Strecke blieb der sehnlichste Wunsch des Patienten, nämlich die ihm verbleibende Zeit im häuslichen Umfeld zu verleben.

Und ein weiteres Beispiel:  Ein betagter Patient, um die 90 Jahre, sollte operiert werden. Das bedeutete aber eine relativ intensive Nachbehandlung, die eine Selbstbeobachtung durch den Patienten einschloss.

Bei einem Menschen in diesem Alter war das insgesamt aus meiner Sicht ein sehr riskantes Unterfangen.  Also ging ich zum Chefarzt und machte ihn auf mögliche Komplikationen aufmerksam. Das alles brachte nichts.

Denn: In der Operation sollte eine neue OP- Technik zum Einsatz kommen. Eine Methode, die sich in der Praxis bewähren sollte. Das ist soweit in Ordnung.

Nur: Ich hätte mir gewünscht, dass die individuelle Situation des Patienten mehr ins Kalkül gezogen worden wäre.

Sie haben in einer Übergangszeit sowohl im Krankenhaus gearbeitet und ebenfalls in einem ambulanten Pflegedienst, ist das richtig?

Ja, 1989 gab es eine Zeit, wo wir ein Haus zu finanzieren hatten. Da brauchte ich das Geld.

Also machte ich eine Frühschicht im Krankenhaus und eine Spätschicht in einem ambulanten Pflegedienst.

War das überhaupt zu schaffen für Sie?

Ja, das war es. Aber es war auch sehr anstrengend.

Sie hatten doch in dieser Zeit einen direkten Vergleich, oder?

Auf jeden Fall. Das hat auch meinen Entschluss gefördert, ganz in die Pflege zu gehen.

Ich konnte mich im unmittelbaren Vergleich davon überzeugen: Im Pflegedienst stand der Patient, der zu Pflegende viel stärker im Fokus des täglichen Handelns.

Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass die Ausbildung zum Altenpfleger und Krankenpfleger generalistisch erfolgen soll?

Ich finde das gut. Ich glaube, die Spezialisierung wird ohnehin in den späteren Jahren eine immer währende Herausforderung sein.

Da wird wohl keiner in seinem Berufsleben drum herum kommen. Doch zunächst sollten die gleichen Grundlagen gelehrt werden.

Gibt es irgendwas, was mehr beachtet werden sollte in der Ausbildung?

Ich denke, die ethische Bildung sollte einen noch viel größeren Stellenwert einnehmen. Zu sehen, was ein Pflegebedürftiger für Wünsche und Bedürfnisse hat, das kann man nur, wenn man nicht wegschaut oder weghört.

Im Gegenteil: Sich in den anderen Menschen hineinversetzen, emphatisch sein – ich glaube, das muss in die Ausbildung miteinfließen.

Wie entspannen Sie sich?

Ich habe meinen Hund. Das ist ein Golden Retriever. Eine Hündin und ihr Name ist Nila.  Nila lenkt mich ab auf meinen Spaziergängen und macht mir auch so sehr viel Freude.

Des Weiteren: Ich fahre gern in Wellness – Urlaube und entspanne mich. Ich möchte in einen längeren Urlaub fahren, eine Fernreise machen. Ich glaube, das ist auch mal wieder wichtig.

Übrigens: Ich komme aus dem Roten Kreuz, war dort Krankenschwester. Meine damalige Oberin hat etwas gesagt, womit sie meine Frage nach einer Lohnerhöhung zu unterdrücken versuchte: „Der Lohn meiner Arbeit ist, dass ich arbeiten darf!“

Inzwischen sehe ich diesen Satz als etwas sehr Positives an:  Mein größtes Glück ist es tatsächlich,  für andere Menschen zu arbeiten und ihnen zu helfen. Das steht für mich im Vordergrund. Ich glaube, dass ich damit sicher einer aussterbenden Spezies angehöre.

Danz-Consult – da ist das Wort Beratung enthalten.  Worauf kommt es Ihnen in der Beratung an?

Die Patienten und die Angehörigen möchten viel Hintergrundwissen. Also, wie das alles zu finanzieren ist, was Sie im Detail für Leistungen bekommen.  Das liegt mir sehr am Herzen, nämlich das Optimale für den Einzelnen zu konzipieren.

Und läuft das stets problemlos?

Natürlich nicht. Gerade wenn es um die Finanzen geht.
Manchmal höre ich den versteckten Vorwurf: ‚Sie planen mit unserem Erbe‘

Und was sagen Sie dazu?

Naja, die Leistungsinhalte sind ja im Sozialgesetzbuch genau beschrieben.

Und wenn jemand privat darüber hinaus noch Betreuung möchte, ja dann sind das eben Privatleistungen. Und die müssen auch bezahlt werden. Ich muss ja meine Mitarbeiter ebenfalls dafür entlohnen. Doch sind das  Ausnahmen.

Da hilft das offene und ehrliche Gespräch. Und danach kann man ein Paket schnüren, mit dem dann alle leben können.

Außerdem: Inzwischen gibt es ja mit dem Pflegestärkungsgesetz I seit Januar 2015 die Möglichkeit,  weitere  Betreuungs- und Entlastungsleistungen anzubieten, die über die Pflegekasse abgerechnet werden können.

Alles redet über individuelle Pflege. Woran machen Sie das fest?

Das ist das Schwerste, hier die richtigen Antworten zu finden. Im neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff ist ja einiges dazugesagt.

Für mich ragt ein Grundsatz heraus: Die Kunden haben ein Recht darauf, so zu sein wie sie sind.

Das ist ein gutes Schlußwort. Frau Hillebrecht, ich danke Ihnen für das Gespräch.

MENSCHEN IN DER PFLEGE

Mehr lesen:

https://uwemuellererzaehlt.de/2022/01/02/menschen-im-alltag-2017-2021/

WARUM ÜBER BETREUUNG VON MENSCHEN SCHREIBEN, DIE IN IHRER ALLTAGSKOMPETENZ EINGESCHRÄNKT SIND?

MENSCHEN IM ALLTAG-2017.02.28

Die Anzahl der Menschen, die an Demenz erkranken, von eingeschränkter Alltagskompetenz betroffen sind, wächst weiter rasant

Der Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung insgesamt nimmt zu. Er wächst schneller, als dass wir es nur auf die gestiegene Lebenserwartung zurückführen können.

Der rasante Geburtenrückgang in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ist der zweite und nicht weniger wichtige Grund für diese Entwicklung.

Beide Entwicklungen stellen die Gesellschaft und vor allem die Pflegenden vor enorme neue Herausforderungen.

Der bislang kontinuierlich gewachsene Anstieg der durchschnittlichen Lebenserwartung und die damit verbundene Zunahme der Älteren und Hochbetagten geht einher mit der ebenfalls größer werdenden Zahl derjenigen unter ihnen, die an Demenz erkranken.

Erkrankungsrisiko plus steigende Lebenserwartung – zwei Faktoren für mögliche Demenz oder eingeschränkte Alltagskompetenz

Menschen mit einer höheren Lebenserwartung sind ohnehin bereits stärker der Gefahr ausgesetzt, die sogenannte Alltagskompetenz einzubüßen – ein weiterer, nicht unerheblicher Faktor, der zum allgemeinen Erkrankungsrisiko noch hinzukommt.

Berechnungen, empirische Studien gehen von rund drei Millionen Menschen aus, die in 2050 in einer bestimmten Form davon betroffen sein werden.

(Vgl. dazu: http://www.bundesgesundheitsministerium.de/ministerium/meldungen/2016/sechster-pflegebericht.html – abgerufen – Donnerstag, 12. Januar 2017, 10.33 Uhr; Download PDF, S. 20-22)

Betreuungs- und Entlastungsleistungen, Tagespflege und Senioren-Wohngemeinschaften gewinnen in diesem Zusammenhang an Bedeutung.

 

MENSCHEN IN DER PFLEGE

RÜCKBLICK: INTERVIEW MIT SUSANNE ROSENBERGER

MENSCHEN IM ALLTAG-2017.02.28

Frau Rosenberger, bereuen Sie den Tag, an dem Sie den Entschluss gefasst haben, in die Pflege zu gehen?

Also ich bereue das auf keinen Fall. Natürlich gibt es immer Momente, die nicht so schön sind. Aber die gibt es überall.

Ich kann mit Bestimmtheit sagen: Die Pflege, das ist mein Leben.
Das Zusammenspiel mit allen im Team macht das Besondere aus. Es ist nicht ein einzelner Baustein.

Es ist das Puzzle, was jeden Tag aufs Neue zusammengesetzt werden muss – im Team, im Gespräch mit den Angehörigen und den Pflegebedürftigen.

Das Besondere an diesem Beruf ist: Wir gehen mit Menschen um, die unserer Hilfe bedürfen.

Und wenn ein dankbarer Blick kommt oder ein Lächeln des Pflegebedürftigen, ja dann ist das schon wahres Glück.

Wir schieben nicht nur die Papiere von links nach rechts. Das muss ich natürlich auch. Aber alles, was wir tun, das ist für die Menschen, die wir pflegen und betreuen. Ich bereue nichts und möchte auch nichts anderes machen.

Wo sind Sie aufgewachsen?

In Castrop Rauxel.

Welchen Bildungsweg haben Sie genommen?

Ich habe Abitur gemacht. Danach habe ich eine Ausbildung zur Krankenschwester durchlaufen.

Ich war dann anschließend im Augusta Krankenhaus in Bochum tätig – auf einer Intensivstation in der Chirurgie.

Wie lange waren Sie dort?

6 Jahre.

Wie sind Sie zur Pflege gekommen?

Durch meine Oma. Sie war Altenpflegerin in einem Altenheim und führte dort nebenbei eine Schneiderstube.

Später wurde meine Oma schwerkrank. Mein Vater und ich haben sie bis zum Schluss begleitet.

Danach kam meinem Vater und mir der Gedanke, einen Pflegedienst zu gründen. Mein Vater hat dafür noch einmal umgeschult und eine Ausbildung zum Altenpfleger absolviert.

2000 war es dann so weit und wir haben den heutigen Pflegedienst eröffnet.

Was belastet Sie, wenn Sie heute an die Pflege denken?

Beflügelndes und Bedrückendes – beide Momente liegen oft dicht beieinander. Mir liegt die Palliativpflege sehr am Herzen. Das gibt es natürlich sehr traurige Momente.

Was bedrückt Sie da ganz besonders?

Während der Palliativpflege werden wir ein Teil der Familie.
Und wenn Sie dann eine Mutter im Sterben begleiten, die erst 42 Jahre alt ist und Kinder hinterlässt, dann ist das sehr bitter – auch für uns als professionelle Begleiter. Aber es gibt auch viel Positives.

Was meinen Sie?

Nun, man sieht die eigenen Sorgen und Nöte in einem anderen Licht.
Sie erscheinen einem so unwichtig und klein angesichts dessen, was andere Menschen durchmachen.

Und: Es ist ein ungeheurer Reichtum, Menschen auf ihrem letzten Weg zu begleiten.

Manch einer spricht darüber, was er anders gemacht hätte.
Die überwiegende Mehrheit ist klar und ehrlich in der Betrachtung ihres zurückgelegten Lebensweges.

Der Tod lässt das Leben als das erscheinen, was es ist, nämlich ein Geschenk. Und das ist unwiederbringlich.

Vielen Dank für das Gespräch.

Mehr lesen:

https://uwemuellererzaehlt.de/2022/01/02/menschen-im-alltag-2017-2021/