MENSCHEN IM ALLTAG-2021.08.05
Einführung:
Ich habe mit Iana Salenko, der Prima Ballerina vom Staatsballett Berlin, in der zweiten Hälfte Juli gesprochen - in ihrem Haus in Berlin.
Wir sprachen darüber, wie es ihr aktuell geht, was sie besonders glücklich macht und welche Neuigkeiten es gibt.
„Wir erwarten Ende September ein Kind und sind überglücklich, dass unsere Familie größer wird.“
Was mich immer wieder an der Persönlichkeit von Iana fasziniert: Sie ist bodenständig, bescheiden und herzlich in unseren Begegnungen.
Sie antwortet spontan, und sie ist ehrlich.
Iana ist eine Frau mit viel Charisma, es fällt nicht schwer, sich von ihrer Persönlichkeit in den Bann ziehen zu lassen.
Das ist das Interview, das ich mit ihr am 20. 07.2021 geführt habe.
Iana, du machst einen sehr fröhlichen Eindruck auf mich. Täusche ich mich da, oder geht es dir tatsächlich so gut?
Nein, du täuscht dich nicht. Es geht mir prima, körperlich und mental.
In welchem Monat bist du schwanger?
Im siebenten Monat.
Also kommt das Kind im September?
Ja, Ende September, Anfang Oktober.
Wie sehr freust du dich auf das Kind?
Ich freue mich natürlich sehr.
Immer wenn ich Kinder umhertollen sehe oder meinen eigenen Kindern, Marley und William, zuschaue, dann freue ich mich noch mehr auf das dritte Kind.
Ich bin auch ruhiger, weil ich wieder in das gleiche Krankenhaus wie vor zwei Jahren gehe, die Ärzte kennen mich. Ich vertraue dem medizinischen Personal dort sehr.
Wird es dein letztes Kind sein?
Ich denke, es ist das letzte Kind, das ich zur Welt bringe.
Aber ich will mich natürlich nicht generell festlegen. Das Leben ist ja deshalb spannend, weil es nicht bis ins letzte Detail vorhersehbar ist.
Ich will ja auch wieder in meinen Beruf rein und möchte mich noch weiterentwickeln.
Außerdem bin ich in einem Alter, indem ich wahrscheinlich mit der Familienplanung allmählich abschließen sollte. Also ist das für den gegenwärtigen Zeitpunkt erst einmal das letzte geplante Kind.
Und trotzdem: Alles, was die Familie ausmacht, das macht schon sehr viel Spaß.
Iana, wir haben oft ein Interview geführt, wenn du schwanger warst. Ein Zufall sozusagen.
Ist das nicht ein positives Omen?
Ja, das war 2008, 2019 so. Und jetzt wieder. Das stimmt und ich freue mich, dass wir wieder miteinander sprechen können.
Danke, das Kompliment kann ich nur zurückgeben. Ich finde auch, dass du über die Jahre sehr viel lockerer geworden bist. Wie siehst du dich selbst?
Ich spreche die deutsche Sprache natürlich viel fließender, als es noch vor Jahren der Fall war.
Ich interessiere mich heute für die Philosophie der Kindererziehung, lese sehr viel, bin dadurch kommunikativer geworden. Alles zusammen, was hier hineinspielt hat mit dazu beigetragen, dass ich mich stärker geöffnet habe.
Ich denke ebenso an meine Kindheit zurück, überlege, was ich daraus an Positivem in die Erziehung meiner Kinder einfließen lassen kann und was ich an negativen Erlebnissen habe, die ich heute vermeiden will, wenn es um meine Kinder geht.
Woran denkst du da konkret?
Zum Beispiel, wie viel Freiraum ich meinen Kindern lasse und wann ich eingreifen will, also Grenzen setzen muss.
Wie geht es weiter, wenn das Kind da ist?
Ich bin nach der Geburt im Mutterschutz, ca. 8 Wochen und danach gehe ich zurück ins Ballett.
Und wer übernimmt dann die Versorgung und Betreuung der Kinder?
Diese Aufgabe teile ich mir mit Marian. Außerdem: Die ganze Familie steht bereit, um zu helfen – meine Mutter, Marians Mutter, die Tante. Wir haben sehr viele Familienmitglieder, die mich gern unterstützen wollen.
Marians Mutter ist dann in Rente, seine Tante ebenfalls und sie wollen auf jeden Fall helfen.
Meine Mutter möchte mich auch sehr gern unterstützen. Wir brauchen es nur zu sagen.
‚Ruft an, ich komme sofort‘, hat sie mir gesagt.
Bist du aktuell glücklich mit deiner Situation?
Ja, absolut. Allein die Tatsache, dass ich Kinder habe und noch eins dazukommt, das macht mich schon glücklich.
Meine letzte Schwangerschaft war sehr gefährlich, und so wusste ich nicht, ob ich noch einmal Kinder bekommen kann. Deshalb bin ich jetzt schon sehr froh, dass alles normal verläuft.
Was sagt Marian jetzt zu deiner dritten Schwangerschaft?
Er ist auch sehr glücklich und hilft, wo er kann. Er ist ein sehr guter Vater für unsere beiden Söhne, spielt mit ihnen. Sie haben Spaß zusammen, aber er kann ebenfalls streng sein, wenn es angebracht ist. Er ist liebevoll und streng zugleich.
Wenn alles gut läuft, dann könntest du ja im Dezember bereits wieder auftreten, oder?
Ich möchte so schnell wie möglich nach der Geburt meines Kindes wieder zurück an die Arbeit.
Ich bin bereit, wieder voll einzusteigen, aber ich will berücksichtigen, dass ich wahrscheinlich eine gewisse Zeit benötige, in der ich mich wieder an die Arbeit anpasse, an das Training und erst allmählich die Leistungen steigere.
Es braucht eben alles seine Zeit.
Iana, wie sehen für dich die nächsten Jahre aus, was stellst du dir vor?
Natürlich stehen die Kinder im Vordergrund, denn es macht ja viel Spaß, sie aufwachsen zu sehen.
Ich hoffe, dass ich entscheiden kann, was ich tanzen will.
Früher habe ich alle Aufträge angenommen, jede Gala, habe nicht auf meine Gesundheit geachtet.
Zwischen den Auftritten waren ja zusätzlich die Flüge, das Reisen überhaupt, und so war ich oft todmüde.
Das hat natürlich an meinem Körper gezerrt und es laugt dich dann ebenso mental aus.
Ich wollte immer mehr, ich war zum Teil wie im Rausch, und das geht nicht ein Berufsleben lang gut.
Jetzt möchte ich da mehr aussuchen, schauen, was am besten zu mir passt. Denn nur so kann ich zu Höchstleistungen gelangen. Das ist für das Staatsballett wichtig, für das Publikum und für mich selbst.
Ich möchte auf die Qualität achten und dann in weniger Vorstellungen mehr von meinem Können reingeben.
Wie lange willst du noch tanzen?
Mein Plan ist es, noch zehn Jahre zu tanzen.
Bis ich 50 Jahre alt bin, solange will ich noch aktiv sein. Klar, ich muss auf die Ernährung achten, gesund leben, damit ich die nötigen Leistungen abrufen kann.
Dabei spielt eine große Rolle, dass ich von Kindheitsbeinen an im Wettbewerb stand, schon an der Ballettschule in Donezk. Ich will gewinnen, ich will meine Ziele erreichen. Diese Haltung verfolgt mich schon mein ganzes Leben.
Dazu gehört, dass man bereit ist zu leiden, es gehören Schmerzen dazu. Und das erträgst du nur, wenn dein Kopf es will, dass du gewinnst.
Wie gehst du damit um, wenn du an deine Grenzen stößt?
Zunächst will ich bis an meine Grenzen kommen, sie austesten und möglichst noch überschreiten.
Aber ich möchte nicht ohne Rücksicht auf Verluste meine Ziele erreichen.
Wenn es absolut nicht geht, dann akzeptiere ich das.
Hat die Tatsache, dass du Kinder hast, jetzt ein drittes bekommst mit dazu geführt, dass du dich vielleicht mehr zurücknimmst?
Ja, schon. Man überlegt mehr, wo es sich lohnt, die Kräfte einzusetzen. Ich möchte mein Leben nicht nur dafür opfern, zu gewinnen, zu kämpfen, Geld zu verdienen.
Ich denke, das Leben hält mehr bereit.
Was zum Beispiel?
Früher bin ich von einem Termin zum nächsten gehastet. Jetzt arbeite ich ebenfalls hart, aber ich bin mehr bereit, das Erreichte zu genießen.
In den vergangenen Zeiten da kam es vor, dass ich einen Preis gewann und ihn nicht würdigen konnte, sondern ich wollte sofort zum nächsten Wettbewerb eilen, um noch mehr zu erreichen.
Meine Eltern haben mir manchmal gesagt, ich solle mich noch mehr anstrengen, um weitere Erfolge zu haben. Aber das ist verständlich, weil sie für mich das Beste wollten, dachten, ich müsste meine Zeit nutzen. Nur die Zeit, die Lebenszeit verstreicht dabei ebenso und das ist unwiederbringlich.
Was haben in deinem Leben deine Eltern für eine Erwartungshaltung an dich aufgebaut und wie siehst du das heute?
Bei meiner Mutter durfte ich vieles nicht. Sie fragte, warum ich etwas Bestimmtes so gemacht habe und nicht so, wie es sich meine Mutter vorstellte.
‚Du musst es so machen‘, hat sie mir in solchen Momenten gesagt.
Das war für mich ein großer Druck, der von ihr ausging.
Mein Vater hat mich zwar unterstützt, aber er hat oft gesagt: ‚Dein Bruder Jaroslaw ist besser als du.‘
Das demotiviert dich mit der Zeit. Vielleicht hat es aber auch geholfen, dass er das zu mir gesagt hat, um mich nach vorn zu treiben. Aber eine wirkliche anhaltende Motivation war das für mich nicht.
Meine Oma hat eine große Rolle in meiner Kindheit gespielt. Das ist bis heute in meinem Denken und Fühlen so. Sie war gelassener.
Sie hat mich machen lassen, was ich machen wollte. Und was ich nicht wollte, das habe ich eben nicht gemacht. Sie gab mir das Gefühl frei zu sein. Das ist der beste Weg, um sich zu entfalten.
Was war das Schönste daran, dass du viel auf dem Dorf bei deiner Oma warst?
Ich war allein dort, kein Bruder war mit. Ich konnte im Baum sitzen, mir die Knie beim Runterspringen aufschlagen, frei herumtoben.
Für meine Mutter war es ja schwer, weil wir fünf Kinder zuhause waren. Ich war die kleinste und ein Mädchen. Die anderen waren alle Jungs und jeder in einem anderen Alter.
Das war schon schwierig für meine Mutter, das alles zusammenzuhalten. Und deshalb bin ich eben gern zwischendurch mal bei meiner Oma gewesen und für meine Mutter war dies ebenfalls eine Unterstützung, die meine Oma ihr gab.
Meine Oma war das Beste, was mir in meiner Entwicklung passieren konnte. Sie hat nie viel gesagt.
Aber sie war fröhlich, hat mir meine Wünsche von den Augen abgelesen.
Ich war dort einfach glücklich und konnte mich selbst entwickeln.
Es ist schon gut, wenn sich dein Kind ausprobieren kann und nicht gleich in die Schranken gewiesen wird.
Würdest du den Weg, den du als Kind und Jugendliche gegangen bist noch einmal gehen?
Ich wollte damals aus der Familie raus, wollte für mich sein. Das war ein wichtiger Beweggrund, warum ich so früh in der Ballettschule in Donezk angefangen habe.
Ich wollte einfach weg von meinem Zuhause und das war eine Möglichkeit, mit 12 Jahren rauszukommen aus der Familie, frühzeitig meinen Weg zu gehen. Ich denke, meine Kinder haben hier bei uns zuhause viel bessere Bedingungen, sodass man das nicht so vergleichen kann.
Welche Schlussfolgerungen ziehst du daraus für die Erziehung deiner Kinder?
Grundsätzlich kann ich viel Positives aus meiner Erziehung weitergeben.
Ich habe einen Beruf gelernt, den der Tänzerin, ich hatte ein gutes Elternhaus, die fürsorglich für mich waren. Aber ich mache das heute mit meinen Kindern mehr spielerisch, zum Beispiel bei Marley.
Er dreht gern Videos und ich mache ihm Mut, stärke ihn, dranzubleiben.
Dazu gehört auch, dass ich sage, wenn ich entdecke, dass ein Kind sich noch mehr entwickeln kann und vielleicht sogar schon mal weiter war.
Das ist stets eine Frage des Ausbalancierens und das Ganze ist verbunden mit der Liebe der Eltern zu ihrem Kind.
Was machst du, wenn du dich mal zurückziehen willst?
Ich schlafe dann und danach sehe ich die Welt schon wieder mit anderen Augen.
Manchmal ist mir etwas zu viel. Marian war an Covid-19 erkrankt, Marley kommt allmählich in die Pubertät und dann noch das Kleinkind, da gab es Phasen, wo ich mich zurückziehen wollte.
Nach dem Schlafen ist es besser für mich, ich bin dann wieder positiv drauf.
Was magst du an Marian besonders?
Er ist ein Familienmensch, ist für mich da, hilft mir, kann sich zurücknehmen.
Das ist für mich ganz besonders wertvoll in unserer Beziehung.
Wir haben 2005 geheiratet und unsere Liebe hat Bestand.
Wie geht Ihr mit Konflikten in dieser Zeit um?
Meine Erfahrung ist, dass ich in Konfliktsituationen loslasse.
Marian kämpft noch mit den Langzeitwirkungen aus seiner Covid-19-Erkrankung.
Das hindert ihn daran, aktuell richtig durchzustarten, sich wieder voll auf seine berufliche Karriere zu konzentrieren.
Er kämpft mit seinen Zweifeln, Träumen, Ängsten und daraus entstehen schon mal stressige Gespräche. Aber das ist es ja auch, was das Leben spannend macht.
Niemand kann ja ernsthaft von sich behaupten, dass er ohne Widersprüche und Konflikte durch das Leben kommt.
Sie sind ja gerade oft die eigentlichen Treiber dafür, dass man weiter vorangeht seinen Weg findet.
Kurzum, Konflikte gehören zum Leben einfach dazu, wir reden sie nicht herbei, aber wir gehen mit ihnen um und letztlich stärkt das unsere Liebe.
Bist du ein glücklicher Mensch?
Ja, bin ich. Ich liebe meinen Mann, meine Kinder, was für ein größeres Glück könnte man haben?
Ich bin natürlich auch stolz auf das, was ich erreicht habe.
Iana, ich wünsche dir alles Gute für dich und deine Gesundheit und das alles gut verläuft mit der Geburt.