Archiv der Kategorie: MENSCHEN IM ALLTAG

Über interessante Menschen erzählen – im Alltag, im Beruf, in ihrer Freizeit.

„DIE WOHNUNG GEFÄLLT MIR NICHT“

ALLTÄGLICHES

Was bisher war:
Wir standen vor der Tür der Wohnung, in die wir gleich hineingehen wollten. Wir konnten nicht mit Straßenschuhen die Räume betreten, also mussten wir uns etwas über die Schuhe ziehen.
Der Verkäufer kam wieder, mit ein paar Überziehern in der einen Hand und einem Stuhl in der anderen.
„Hier können Sie sich draufsetzen, dann fällt es Ihnen leichter, sich die Überzieher über die Schuhe überzustreifen“, sagte er zu Klara.
„Setz du dich hin, du schaffst es doch kaum, dir die Schnürsenkel im Stehen zuzubinden“, sagte Klara.
Ich kochte innerlich, setzte mich hin, und ich meinte ein feines Lächeln im Gesicht des Verkäufers zu entdecken.

Endlich, ich hatte es geschafft. Ächzend und schnaubend erhob ich mich vom Stuhl, wobei ich nicht wusste, ob es eher die Anstrengung war, oder die Wut, die in mir hochkochte, weil ich dastand, wie ein alter Trottel, der nicht einmal die Schonbezüge für die Wohnung, also die Überzieher über seine Schuhe übergestülpt bekam.

Es war, als würde meine Mutter vor mir stehen, die mir vorher eine Spange in die gekämmten Haare gesteckt hatte, darauf eine rote Baskenmütze setzte, eine Mütze, die ich als zehnjähriger Junge hasste. Und zum Schluss zog meine Mutter oft noch ein Taschentusch aus der Jackentasche, befeuchtete es mit ihrer Spucke und rieb es mir über die Wange, weil dort vielleicht noch ein Marmeladenfleck vom Frühstück übriggeblieben war.

Ich war entschlossen, passiven Widerstand zu leisten, mich ausdrücklich zu der Wohnung zu freuen, und nicht Klara zu folgen, die nur die größere Wohnung, über 100 qm im Dachgeschoß im Kopf hatte.

Der Verkäufer öffnete die Tür und wir blickten in einen langen Flur. Das erinnerte mich an die Wohnung in Stralsund, in die wir vor über dreißig Jahren gezogen waren.

Der Flur war über 12 Meter lang und abends sagte Klara zu mir: „Wenn du noch etwas aus der Küche haben willst, dann sag es gleich. Noch mal werde ich dort nicht hingehen.“

Aber das war lange her und wir hatten dort auch nicht sehr lange gewohnt, denn danach wanderte ich nach Essen und Bochum aus, um Arbeit zu finden und wir landeten schließlich in unserem Dorf in Brandenburg, aus dem wir nun nach über 25 Jahren rauswollten.

„Oh, der Flur sieht ja toll aus“, sagte ich voller Entzücken. Es war gespielt und Klara merkte mir meine Übertreibung an und stimmte nicht mit in den Lobesgesang ein. Sie schwieg eisern.
Wir kamen am Bad vorbei.

„Was für eine großzügig eingerichtete Dusche. Das sieht ja alles edel aus“, sagte ich, während Klara hinter mir weiter nichts sagte.
„Ja, da haben sich die Architekten wirklich etwas einfallen lassen“, stimmte mir der Verkäufer zu, während wir ins Wohnzimmer gelangten.

„Na, das nenn‘ ich doch mal großzügig“, sagte ich.
„Und hier, liebe Klara, trennt sogar eine Wand die Küche vom Wohnzimmer ab“, sagte ich weiter und drehte mich zu ihr um.
Klara schaute mich mit dem Blick an, der da meinte: ‚Du musst hier gar nicht rumschleimen. Mich kriegst du sowieso nicht rum.‘

„Da passt nichts rein“, antwortete Klara trocken.
Ich ließ mich nicht beirren.

„Hier die Loggia“, zeigte der Verkäufer auf den Balkon.
„Der ist viel zu klein für uns“, antwortete Klara vor mir.
„Ja, unsere beliebten Stehbanketts im Freien werden wir hier nicht durchführen können“, sagte ich und bekam einen tadelnden Blick von Klara, der hieß, ‚hör auf, diesen Schwachsinn zu erzählen‘.

Ich ließ mich aber nicht abbringen von meiner gewählten Art, begeistert zu sprechen.
„Schau mal, du kannst ja sogar von zwei Seiten auf den Balkon“, wandte ich mich wieder an Klara.

„Du kannst da von drei Seiten raufgehen. Trotzdem ist er zu klein“, antwortete Klara knapp und mit leicht genervtem Unterton.

Der Verkäufer war mittlerweile aus der Situation, die Besichtigung in der Hand zu haben. Er kam nicht gegen mich an und schon gar nicht gegen Klara.

Wir besichtigten noch das Schlafzimmer und mein mögliches Arbeitszimmer, in das ich wohl nicht einziehen würde, wenn es einzig nach Klara ging, aber ich war entschlossen, meinen passiven Widerstand fortzusetzen und meine Frau so doch noch auf meine Seite zu ziehen.

„Können wir noch die große Wohnung im Dachgeschoß sehen?“, fragte Klara den Verkäufer.
Der zögerte, gab aber schließlich nach.

„Wir können es versuchen, aber die Wohnung ist längst noch nicht so weit, wie die hier.“
„Das macht nichts, wir wollen nur mal einen Überblick haben“, sagte Klara.

Wir zogen die Überzieher aus, stiefelten mit dem Stuhl in das Dachgeschoß, und ich setzte mich sofort auf den Stuhl, ohne abzuwarten, dass Klara sagte, dass ich mich hinsetzen solle, weil ich ja ohnehin nichts im Stehen zustande brachte, schon gar nicht die Plastiktüten über die Schuhe zu streifen.

Wütend riss ich an dem Schonbezug für meinen rechten Schuh und schon war es geschehen, er war in der Mitte aufgerissen. Der Verkäufer schaute mich an, Klara seufzte tief und atmete wieder schwer aus.

Ich kam mir vor, als hätte ich gerade meine Hosen verloren. Dabei waren es nur ein paar Schuhüberzieher, noch dazu aus umweltschädlichem Material gefertigt, die ich beschädigt hatte.

MEIN FREUND, DER ALLTAG

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DIE BIBEL ÜBER DAS LEBEN UND SEINE WEISHEITEN

BIBEL

BIBEL-2022.04.14

Jeder von uns sucht nach Antworten für ein sinnerfülltes Leben, nach dem Glück im Alltag. Die Bibel kann dieses Streben befördern – mit Lebensweisheiten, die über die Jahrhunderte hinweg erzählt und später auch dokumentiert wurden.
Ein kompakter Ausdruck dafür ist die Bibel selbst.

Weisheit und Weisheitsliteratur – diese Begriffe sind überliefert aus einer Sammlung von Schriften, die durch die Jahrhunderte hindurchgehen. Sie stammen von Israel, den benachbarten Völkern und von den ägyptischen Weisheitsschriften.

Die Weisheitslehre lässt sich in vier Phasen einteilen:

Erstens – in das sogenannte vorliterarische Stadium der Weisheit, in der man danach strebte, grundsätzlich in den Fragen des Lebens weise zu sein. Dazu zählen die Sammlungen des Königs Salomon als dem ‚beispielhaften Weisen‘ (1)

Zweitens in die Weisheitslehre, die vor allem in der Erziehung und Bildung eingesetzt wurde.
„Damit folgte Israel alten Vorbildern in Ägypten und Babylonien. Es bildeten sich Lehrüberlieferungen, deren Träger in erster Linie am Königshof zu suchen sind; denn ein König und seine Ratgeber mussten sich besonders durch Weisheit auszeichnen…“ (2)

Drittens: Später wurden die Weisheitssätze systematisiert und theologisiert. Gott, das göttliche Prinzip werden in den Mittelpunkt gestellt. (3)

Und schließlich viertens:
Die Weisheit wurde als Antwort auf die Fragen des Lebens genutzt. Sie sollte den Optimismus für das Leben fördern, der aber auch eine kritische Auseinandersetzung mitbeförderte.

In der Stuttgarter Erklärungsbibel heißt es hierzu:
„Diese Entwicklung forderte die kritische Auseinandersetzung heraus, wie sie uns im Buch des Predigers überliefert ist und in den Wechselreden des Buches Hiob einen besonders spannenden Ausdruck gefunden hat (vgl. die Einführungen zu Prediger und Hiob).“ (4)

(1)
Vgl. dazu auch:
Stuttgarter Erklärungsbibel mit Apokryphen, Die Heilige Schrift nach der Übersetzung Martin Luthers, mit Einführungen und Erklärungen; Deutsche Bibelgesellschaft. ISBN 978-3-438-01123-7 Neuausgabe mit Apokryphen © 2005 Deutsche Bibelgesellschaft Zweite, verbesserte Auflage 2007, 10.2016, S. 769
(2)
Ebenda
(3)
Ebenda
(4)
Ebenda

 

MEIN FREUND, DER ALLTAG

ANNA IST DEMENT

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SCHREIB-ALLTAG

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‚DIE DACHGESCHOSSWOHNUNG, DIE IST DOCH NOCH FREI, ODER?‘

ALLTÄGLICHES

Was bisher war: 
Klara und ich wussten, dass wir etwas verändern mussten. Wir wurden nicht jünger und wir wollten ein neues Zuhause suchen. Der Gedanke war da, der Entschluss war gefasst. Im Herzen aber, da fiel es uns schwer, diese Veränderungen wirklich in Angriff zu nehmen. Schließlich griff ich doch zum Hörer, um einem Bauträger einen Besichtigungstermin zu vereinbaren. 

„Sie können noch in dieser Woche zur Besichtigung vorbeikommen“, sagte die Mitarbeiterin des Bauträgers am Telefon.

„Das klingt gut“, sagte ich und vereinbarte einen Termin für den Donnerstag in der gleichen Woche, in der ich angerufen hatte.
Wir waren bereits an einem Sonntag auf der Baustelle gewesen, auf der die neuen Häuser errichtet wurden.

„Siehst du, da ist die Wohnung im achten Stock, keiner über uns und mit einer Wohnfläche von fast 100 qm.

Eine Terrasse gibt es auch. Sie geht über die gesamte Breite der Wohnung. Siehst du das?“, fragte Klara mich eindringlich, so als ob ich nicht sehen könnte und zum ersten Mal auf der Baustelle die Wohnung sah, die sie bereits für sich im Kopf beschlagnahmt hatte.

Aber Klara hatte sich tatsächlich bereits alle Grundrisse im Internet angesehen, im Gegensatz zu mir, der sich nicht festlegen wollte auf Projekte, die vielleicht utopisch waren. Die Wohnung hatte eine herausragende Lage, sie war bestimmt schon die erste, die weg war. Doch das sagte ich nicht laut.

Laura hatte Klara dabei geholfen und beide hatten die Zimmer bereits virtuell eingeräumt, während ich im Nebenzimmer am Schreibtisch saß und mich mit den Belegen für die Steuer herumplagte.

„Wenigstens trennt hier eine Wand die Küche vom Wohnzimmer ab“, hörte ich Klara sagen.

Sie mochte die Varianten der amerikanischen Küchen überhaupt nicht. Früher, da gab es in jeder noch so kleinen DDR-Wohnung einen abgetrennten Raum, in der die Küche war. So hatte ich es jedenfalls in Erinnerung.

Doch nun war es anders, jetzt gab es überwiegend die Grundrisse bei den neu errichteten Wohnungen, bei der die Küche in den Wohnraum integriert war.

Der Tag der Besichtigung war da und wir warteten aufgeregt vor dem Bauzaun, um von einem Mitarbeiter abgeholt zu werden.

„Ich gehe nach rechts, da kommt der Verkäufer bestimmt“, sagte Klara.

„Du musst strategisch denken“, entgegnete ich, „der Verkäufer kommt unter Garantie hier, an der Hauptachse und lässt uns rein.“

Während ich das sagte, war Klara bereits ein paar Meter weiter nach rechts gegangen.

Wenige Augenblicke später kam der Verkäufer. Auf der Seite, auf der Klara stand.

Ich lief verdrossen nach rechts und begrüßte den Mitarbeiter, der mich kaum wahrnahm, weil er bereits in einem angeregten Gespräch mit Klara war.

Sie gingen beide vor mir, während ich hinterhertrottete.
Der Verkäufer lief zielstrebig an dem Haus vorbei, in der sich unsere ‚Traumwohnung‘ befand.

Bauarbeiter eilten achtlos an uns vorüber und hinter uns hupte ein Bagger, um sich seinen Weg zu bahnen.

Ich musste an Krümel denken, der ich abends noch das Buch von der ‚Baggerfahrerin Annette Kuhn‘ vorlesen musste.
Hier, auf der Baustelle, da war das alles nicht so lustig.

Klara blieb plötzlich stehen. „Die Dachgeschoßwohnung, die noch frei ist, die ist doch in dem Haus daneben, oder?“

„Ja, das ist richtig, aber sie ist nicht mehr frei, sondern in der Zwischenzeit reserviert“, sagte der Verkäufer, ohne sich weiter umzudrehen. Er konnte deshalb nicht Klaras enttäuschte Gesichtszüge sehen.

„Was werden wir denn besichtigen?“, fragte ich, um das Schweigen zu überbrücken.

„Eine sehr schöne 3-Raum-Wohnung im 2. Obergeschoß“, sagte der Verkäufer und zeigte auf das Haus neben unserer Traumwohnung.

Klara schwieg beharrlich weiter. Wir gingen in den Eingang und der Verkäufer bat uns zu warten.

„Ich hole für uns noch etwas zum Überziehen für die Schuhe, denn das Parkett ist bereits verlegt“, sagte er.

„Oh“, sagte ich und wollte meine Bewunderung über diese Vorsichtsmaßnahme zum Ausdruck bringen.

Klara schwieg. Als der Verkäufer die Treppe runtergegangen war, da sagte Klara kurz und knapp: „Ich will diese Wohnung nicht.“

„Lass sie uns wenigstens ansehen, absagen können wir immer noch.“
Der Verkäufer kam wieder, mit ein paar Überziehern in der einen Hand und einem Stuhl in der anderen.

„Hier können Sie sich draufsetzen, dann fällt es Ihnen leichter, sich die Überzieher über die Schuhe überzustreifen“, sagte er zu Klara.

„Setz du dich hin, du schaffst es doch kaum, dir die Schnürsenkel im Stehen zuzubinden“, sagte Klara.

Ich kochte innerlich, setzte mich hin, und ich meinte ein feines Lächeln im Gesicht des Verkäufers zu entdecken.

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WORÜBER ICH VOR ALLEM SCHREIBEN WILL

Schreiben strukturiert deine Gedanken und Gefühle.
Ich schreibe über das, was direkt vor meiner Nase liegt – mein Leben im Alltag.
Besser das Alltägliche beobachten, wahrnehmen, erleben, als auf die große Inspiration zu warten. 

Ich schöpfe vor allem aus der eigenen Erfahrung, wenn ich ein geeignetes Thema suche.

Vieles, was ich selbst erlebe, wahrnehme oder im Gespräch erfahre ist es zunächst wert, dass ich es auf dem Papier oder digital festhalte.

Klar, manchmal reizt es mich schon, Geschichten aufzuschreiben, die fantasievoll sind und mit fiktionalen Figuren ausgestattet werden.

Doch es ist einfach trügerisch, nur darauf zu warten, die großen Sensationen aufzuschreiben.

Und deshalb: Das Alltägliche bleibt für mich am spannendsten.
Ich beobachte gern, frage Menschen nach ihren Geschichten und schreibe sie dann auf.

Für mich steht weniger im Vordergrund, womit ich am meisten Leser anziehe.

Nein, ich will aus dem inneren Gefühl herausschreiben, dass ich an dem, was ich notiere, auch sehr nah dran bin.

In Gesprächen oder in Interviews mit anderen Personen sehe ich oft, dass derjenige, mit dem ich über sein Leben spreche, erst in dem Moment selbst bewusster, intensiver wahrnimmt, dass er eigentlich ebenfalls ein tolles Leben führt.

Dieses aufsteigende Glücksgefühl bei anderen Menschen zu erleben, das ist eine große Motivation für mich.

Das Schreiben bleibt die Grundlage dafür, dass du nicht nur strukturierst denkst, nein, du kannst danach auch viel besser über deine Beobachtungen, Gefühle, Erfahrungen reden.

SCHREIB-ALLTAG

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DIE JAGD NACH EINEM NEUEN ZUHAUSE IST ERÖFFNET – ZUMINDEST IM KOPF

ALLTÄGLICHES

„Sich verändern ist wichtig und manchmal alternativlos!“ 
Diese Worte gehen dir leicht über die Lippen, wenn es nicht dich betrifft, sondern du nur so mal einem guten Freund einen Ratschlag erteilst.
Aber was ist, wenn du selbst gemeint bist, wenn dir dieser Gedanke für dein Leben einschießt, dass du etwas verändern musst?

Montagmorgen in der vergangenen Woche. Krümel war wieder weg. Ich hörte gerade die Audioaufnahme von ihr ab.

„Zwei kleine Italiener…“, sang sie mit leiser und feiner Stimme, brach dann ab und rief: „Hallo Oma, Opa, ich hab‘ Euch ‚liiieeeb“.

Ich seufzte und wandte mich wieder den Alltagssorgen zu. Die Folgen der Überschwemmung im Keller sassen Klara und mir noch im Nacken.

„So kann es nicht weitergehen!“, sagte ich zu ihr.
Sie schwieg.

„Was willst du tun?“
„Wir müssen uns eine Wohnung suchen, die altersgerecht ist, allen Komfort bietet und vor allem eines ist, trocken!“, antwortete ich.

Wir redeten schon lange davon, dass wir uns verkleinern wollten, abends nicht mehr Treppen hochklettern müssten, um mit letzter Kraft ins Schlafzimmer zu gelangen.

Der Wassereinbruch im Keller nach dem Unwetter war nur der letzte Anstoß.

‚Ist es wirklich so schlimm?‘, fragte ich mich.
Ich mach‘ noch Sport, Nordic Walking, bin trotzdem zu dick, aber immerhin noch gut beweglich.

Klara sagte: „Ich will das alles nicht mehr.“
„Was meinst du?“, fragte ich sie.

„Naja, das mit dem Garten, mit der Hecke schneiden, dem Rasenmähen, den Carport ausfegen.“

„Den Carport fege ich doch aus“, versuchte ich zu entgegnen.
„Du? Du bist doch nie anwesend. Und jetzt, wo du deine Reden hältst, da bist du noch weniger da“, sagt sie.

Ich antwortete lieber nicht. Im Stillen freute ich mich ja, wenn ich einen Redetermin hatte und Klara in der Zeit die Wohnung saugte, den Garten machte und ich danach den ‚Erschöpften‘ geben konnte.

„Zu jammern, das nützt uns jetzt auch nichts“, sagte Klara.
Sie hatte Recht und deshalb war ich auf der Suche nach einem neuen Zuhause, einer Wohnung, die viel kleiner, dafür aber trocken war.

Wir wollten in der Umgebung bleiben. Klar, am meisten zog es uns zurück in den Norden, nach Stralsund oder Sassnitz. Aber das war zu weit weg von unserem kleinen Krümel.

Wie konnten wir sie dann mal nachmittags abholen, mit ihr auf den Spielplatz gehen, um sie dann wieder zu ihrer Mutter zurückzubringen. Daraus wurde also nichts.

Außerdem hatte ich hier die Arbeit als Trauerredner. Eine Tätigkeit, die mir lag, die nicht leicht war, aber wo ich meine handwerklichen Fähigkeiten des Schreibens und Redens gut einsetzen konnte.

Inzwischen war ich bekannt, und ich wollte mein Netzwerk weiter ausbauen.

„Ich habe ein gutes Wohngebiet entdeckt. Dicht an der City von Bernau. Hier ist das Exposè, sagte ich zu Klara.

„Leg‘ es mal da bei mir auf den Schreibtisch“, antwortete sie.
Ich merkte ihr an, wie hin- und hergerissen sie war.

Wir wohnten nun schon 26 Jahre in unserem kleinen Häuschen, mit Carport, ebenerdigem Zugang zur Haustür, ohne Treppensteigen, wenn der Einkaufskorb in die Küche transportiert werden sollte – das alles würden wir nicht haben, oder das meiste dieser Annehmlichkeiten nicht mehr.

„Oma, ich ihr habt so eine schöne Wohnung“, rief Krümel oft, wenn sie sich blitzschnell die Treppenstufen hochhangelte. Sie flitzte zu gern zwischen den Etagen hin – und her.

„Opa, das Frühstück ist jetzt gleich fertig, und dann musst du sofort herunterkommen, sonst wird Oma böse. Kommst du, ja?‘

Ich brummte dann etwas und blieb trotzdem am Schreibtisch sitzen.
„Opa, du musst jetzt gleich mitkommen, ich geh‘ zuerst und du musst hinter mir herlaufen!“

Krümel war so emsig, so begeistert und füllte die ganze Wohnung mit ihrer Lebensenergie.

Wollten wir das alles aufgeben?
Mussten wir das wirklich?

„Ich habe eine Wohnung gefunden, die mir gefallen würde“, rief Klara, die das Exposè gerade durchsah. Laura, unsere Tochter war gerade zu Besuch und hatte gemeinsam mit Klara das Internet zusätzlich durchforstet.

Es war eine Dachgeschoßwohnung, knapp 100 qm, riesige Terrasse, komfortabel ausgestattet.

„Gut, ich rufe morgen gleich bei dem Bauträger an und frage, ob die Wohnung noch frei ist“, sagte ich.

Fortsetzung: ‚DIE WOHNUNGSBESICHTIGUNG‘ – Montag, 19.09.2022

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FREIWILLIGE FEUERWEHR AUS SCHÖNWALDE – DANKE FÜR EUREN BEHERZTEN EINSATZ AM 26.08.2022

Stefanie Weinert und Sandra Mallabar während des Einsatzes in Basdorf

Es war ein Tag, der versprach noch einmal schön zu werden.
Ich hatte nach unserem zweiwöchigen Aufenthalt an der Ostsee wieder Energie und auch Lust, mit der Arbeit weiterzumachen.

Mittags stand für mich eine Trauerrede an. Ich war gut vorbereitet, wollte alles dafür tun, damit es ein würdiger Abschied wurde.
Es klappte alles und die Trauergäste bedankten sich bei mir – der schönste Lohn für die oft nicht leichte Arbeit, physisch nicht und schon gar nicht psychisch.

Ich war froh, als ich wieder im Auto saß, ein wenig Wasser getrunken hatte und mich in Richtung nach Hause bewegen konnte. Es war schwül und ich wollte so schnell wie möglich aus dem Anzug heraus.

„Ich bin fertig“, sagte ich nur zu Klara und warf mich auf die Couch.
Ich wollte nichts mehr wissen und nichts mehr hören.

Draußen wurde es dunkel, obwohl es erst gegen 15.00 Uhr war, und Regen setzte ein. Ich hörte es blitzen und donnern und sah plötzlich Eiskristalle auf der Terrasse niedergingen. Ich schnellte von der Couch hoch, sprang ins Auto, um es ein Stück weiter nach hinten zu fahren.

‚So, jetzt konnte es draußen schütten, wir sitzen hier im Trockenen‘ dachte ich bei mir.

„Siehst du, dass das Wasser auf der Terrasse nicht abläuft?“, fragte Klara mich und ihr war die Angst anzumerken, dass es noch schlimmer kommen könnte.

Jetzt wurde auch ich unruhig und wir stiegen gemeinsam die Treppen zum Keller runter.

Durch die Tür, die in die Gemeinschaftsräume führte, drang Wasser.
Es stand bereits knöchelhoch. Ich wollte wissen, wie es auf dem Gang aussah und öffnete die Tür zum Gemeinschaftsgang. Das Wasser schoss uns entgegen und wir hatten Mühe, die Tür wieder zu schließen.

Jetzt hieß es, Eimer zu holen, das Wasser hineinzuschaufeln und nach oben zu tragen, um es im Gäste-WC auszuschütten. Klara schippte, ich keuchte die Treppe mit dem Eimer hoch.

Jedes Mal, wenn ich oben ankam, den Eimer leergemacht hatte, gönnte ich mir eine Pause auf dem Stuhl im Flur und schaute von da aus auf die Terrasse. Dort standen Pfützen, gefühlt waren es Seen, und so langsam beschlich mich Verzweiflung.

„Was machst du so lange da oben?“, fragte Klara mich und ich schleppte mich wieder die Treppe hinunter. Der Wasserpegel war wieder gestiegen. Der Kellervorraum war voll und das Wasser ergoss sich auch in unseren Hauptkeller.

Der Mieter aus dem Dachgeschoss unseres Mehrfamilienhauses hatte die Feuerwehr gerufen und mich darüber informiert.
„Die würden wohl erst nach Mitternacht kommen“, dachte ich bei mir.

Doch eine Stunde später kam ein Löschzug um die Ecke.
Ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemals in meinem Leben so froh war, dass ich die Feuerwehrleute sah.

Sie handelten schnell, sehr effizient und wussten genau, was sie tun mussten.
Sie legten Schläuche über ein Nachbargrundstück in Richtung Wald, weil die Kanalschächte ebenfalls vollgelaufen waren.

Es war Lärm, Hektik und ich hatte den Eindruck, ich würde überall nur herumstehen.

Als die Pumpen liefen, wir ein wenig verschnaufen konnten, weil es nun darauf ankam, mit Geduld abzuwarten, dass das Wasser allmählich aus den Kellern abfloss, da unterhielt ich mich ein wenig mit zwei Kameradinnen von der Feuerwehr – mit Stefanie Weinert, der Einheitsführerin und Sandra Mallabar, einer Maschinistin bei diesem Einsatz. Sie ist normalerweise Jugendwartin bei der Freiwilligen Feuerwehr in Schönwalde.

Während ihres Einsatzes konnte ich sehen, mit wieviel Herzblut und welchem Einsatzwillen diese Kameradinnen und Kameraden vor Ort agierten, damit wir wieder trockene Keller hatten.

Eine tiefe Dankbarkeit kam in mir hoch. Doch was sagst du in solchen Situationen?

Das alles kommt dir in diesem Moment vor, als würdest du nur Worthülsen vertun, um zu sagen, wie froh du über den Einsatz dieser Menschen warst.

Ich nahm mir vor, darüber zu schreiben. Wenigstens das wollte ich tun.
Später halfen Kameraden mit, das restliche Wasser aus dem Keller zu bekommen, bis nur noch wenig übrig war.

Am nächsten Tag fuhren wir in den Baumarkt und kauften einen Nass-Trocken-Sauger.
Ich schaute mir die Aufbauanleitung an, war aber nervlich noch zu angespannt vom vergangenen Tag, um mir in Ruhe alles durchzulesen.

Ich rief meine Tochter an, unser ‚Technikgenie‘ und fragte sie, ob sie uns helfen wolle, bei der Beseitigung des Wasserschadens.
„Papa, wenn du in der Zeit eine Facharbeit auf Rechtschreibfehler durchsiehst, dann komme ich“, sagte sie am Telefon.

Ich war sofort einverstanden. Klara und meine Tochter saugten den Rest des Wassers vom Boden auf und entsorgten die nassen Sachen.

Ich korrigierte in der Zeit die Arbeit, konnte ruhig am Schreibtisch sitzen und nicht einmal ein schlechtes Gewissen haben.

Wir brauchten noch ein paar Tage, um zu unserer Routine zurückzukehren.

Danke liebe Kameradinnen und Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr aus Schönwalde! Wir werden Eure selbstlose Hilfe nicht vergessen!

 

MEIN FREUND, DER ALLTAG

DER TOD IST GEWISS – ABER WOLLEN WIR DAS AUCH WAHRHABEN?

DAS LEBEN RUHIG MAL VOM ENDE HER DENKEN

ALLTÄGLICHES-2022.06.02

Wir werden sterben. Das wissen wir. Den Gedanken daran schieben wir dennoch weg.

Der Kelch geht an uns vorbei, möglichst lange, so hoffen wir jedenfalls.

Diese Tatsache ist ja auch ziemlich brutal. Und gerade deshalb wollen wir es nicht so richtig glauben.

Der Augenblick, in dem diese unumstößliche Wahrheit aber dein Bewusstsein, dein Fühlen und Denken erreicht, kann auch etwas Positives bewirken, nämlich – dir das Wertvolle an deinem Alltag vor Augen zu führen, dich an den kleinsten Dingen zu freuen.
Vielleicht eine Blume, die du gerade siehst.

MEIN FREUND, DER ALLTAG

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DAS LEBEN SYMPATHISCH FINDEN, SO WIE ES GERADE IST

MEIN FREUND, DER ALLTAG

ALLTÄGLICHES-2022.05.28

VOM WERT IM LEBEN, MIT DEN KLEINEN DINGEN GLÜCKLICH ZU SEIN

Es ist kurz vor halb fünf Uhr morgens und ich sitze auf der Bank vor dem Haus.

Wäre ich nicht vom Schreibtisch aufgestanden, um ein wenig frische Luft zu schnappen, ich wäre wohl wieder eingeschlafen.

Also bin ich hier draußen, friere ein wenig und schaue in den Himmel. Er ist mit Wolken zugedeckt und die Sonne kann auch noch nicht mit ihren Strahlen durch die Wolkendecke hindurchdringen.

Wenn morgens noch alles ruhig ist, du nur ein paar Vögel zwitschern hörst, den Wind, der durch die Äste der Bäume fegt und die Blätter rauschen, dann kommst du ins Grübeln.

Du überlegst, wieso du eigentlich immer wieder neu lernen musst, was in deinem Leben wichtig sein könnte.

Das Leben loslassen, es anzunehmen und es so zu verändern, dass es für dich ein sympathisches Aussehen kriegt – ja, all das gehört dazu.

Wie oft strebst du danach, mehr Geld zu bekommen, noch erfolgreicher zu werden, Immobilien zu besitzen und zu denken, dass genau das der Beweis für ein glückliches Leben ist?

Bis du dahinter kommst, dass es gerade das nicht ist, was dich in Wahrheit glücklich macht.

Leider ist es oft erst dann, dass du dich rückbesinnst, wenn du nichts mehr ändern kannst.

Mir fällt Krümel ein, meine vierjährige Enkelin. Ich muss ihr unbedingt weiter von der Scheune erzählen, vom Esel Ia, dem Hund Bobby und der Katze Penni. Sie alle gibt es nicht, nur in der Phantasie.

Die Scheune besitze ich auch nicht. Aber Krümel ist glücklich, und ich bin es auch, wenn wir darüber sprechen.

Ich stehe von der Bank auf und gehe wieder an meinen Schreibtisch. Ich werde nachher Krümel anrufen. Das wird ein schöner Tag.

 

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‚THURE‘ MUSS WARTEN

ALLTÄGLICHES-2022.05.25

Geschäftliche Aufträge, Business-Texte schreiben, Broschüren lektorieren, all das bindet aktuell meine Kraft.

Ich muss meine Energie bündeln, um meine Ziele zu erreichen.

Aber irgendwann taucht ‚Thure‘ wieder auf, versprochen.

Für alle Leserinnen und Leser einen schönen Vatertag, Herrentag, ‚Christi Himmelfahrt‘ oder einfach ein paar Stunden, um die Füße hochzulegen.

MEIN FREUND, DER ALLTAG

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THURE – SCHREIBSKIZZEN (6)

THURE LIEBTE SEIN DORF UND ERINNERTE SICH TROTZDEM GERN AN SCHWERIN – DEN ORT SEINER KINDHEIT
Was bisher war:

Schebsand befand sich am Rand von Berlin, im Norden von Brandenburg.
Im Osten grenzte Schebsand an riesige Flächen von Weideland, die der ehemaligen LPG gehörten, die sich nach der Wende in eine Genossenschaft umgewandelt hatte.
Thures Haus lag im Süden von Schebsand.
Er war früh aufgestanden, saß auf der Holzbank in der Küche und schien zufrieden mit sich und der Welt.

Thure sah vom Küchenfenster aus, wie die Wiesen noch von einem Nebelschleier bedeckt wurden und das Gras noch feucht vom Morgentau war.

In der Ferne beobachtete er einen roten Streifen am Himmel.
Es würde wohl schön werden, an diesem Tag, und so beschloss Thure, nach dem Frühstück einen Spaziergang durch das Dorf zu machen, vielleicht Jakub Zlobinski, dem Besitzer des Gasthofes vorbeizuschauen.

Thure war in Schwerin geboren und er war nun bereits im siebzigsten Lebensjahr.

„Wenn ich mit 70 einmal so aussehen sollte, wie Sie, dann freue ich mich“, sagte ein Bestatter zu ihm, mit dem er etwas über das Marketing besprach.

„Das ist sehr nett“, hatte Thure geantwortet.
„Aber über kurz oder lang kriegen Sie mich trotzdem in ihre Hände“, schob Thure noch nach.

In Thure schossen Erinnerungen aus der Kindheit hoch

Thure erinnerte sich gern an seine Kindheit. Wie er im Schweriner Schloss herumgetobt war, da, wo heute das Parlament saß.
„Woran denkst du?“, fragte Maria ihn, die gerade das Frühstück zubereitete.

Thure drehte sich zu Maria um und setzte sich auf die Holzbank am Fenster, Emma war nicht da und so konnte er ein Bein ausgestreckt auf die Bank legen, das Kissen hinter sich im Rücken verkeilen und die Gedanken schweifen lassen.

„Ach weißt du, ich denk‘ gerade zurück“, wie glücklich wir in Schwerin als Kinder waren.
Vor allem, dass wir uns um nichts kümmern mussten“.

„Ja“, seufzte Maria, „das stimmt.“
Thure war nun in Fahrt gekommen.
„Eines Tages lief meine Mutter mit einem griesgrämigen Gesicht umher, und wir durften sie nicht ansprechen, weil sie nach der Arbeit ihre Ruhe wollte“, erzählte Thure.

Er kam ins Schwelgen: „Wir haben Oma Mathilde gefragt, warum Mama so schlecht Laune habe.“

„Und, was hat sie geantwortet?“, fragte Maria nach, obwohl sie die Antwort kannte.

„Oma Mathilde hat gesagt, dass unsere Mama so viele Sorgen hätte.
Irgendwie wollten wir Kinder dann auch Sorgen haben“, erinnerte sich Thure weiter.

Oma Mathilde war für die Kinder immer da, für Thure, seinen Bruder Thorben und seine Schwester Gabriella.

Sie kam jeden Morgen bereits kurz nach sechs Uhr aus ihrer Wohnung auf dem Obotriten Ring in die ‚Straße der Nationalen Einheit‘, wie sie in den 50 er und 60 Jahren noch hieß.

Im Winter kniete sie sich als erstes vor den Ofen im Kinderzimmer und spaltete mit dem Küchenmesser Holzscheite, knüllte die Zeitung ‚Neues Deutschland‘ zusammen und stopfte sie in den Ofen.

Dann zündete sie das Papier an und allmählich war das Knacken der Holzscheite zu hören und es roch ein wenig nach dem Rauch, der im Ofen aufstieg.

Maria unterbrach Thures Kindheitserinnerungen abrupt

„Wir wollten nicht aufstehen, aber daran führte kein Weg vorbei“, schwelgte Thure weiter in Erinnerung.

„Das Frühstück ist fertig und steht vor dir“, unterbrach ihn Maria.
Sie wollte in der Küche weiterkommen, schnell nach dem Frühstück das Geschirr abräumen und später im Dorf Einkaufen fahren.

Nur widerwillig hörte Thure auf, in seinen Erinnerungen zu kramen. Er biss in ein Brötchen und schwieg.

Er dachte an Emma, seine Enkelin. Würde sie ebenfalls eines Tages so gern an ihren Opa denken, wie er sich an seine Oma zurückerinnerte?

Das war nicht klar, aber er hatte in ihr bereits in seinen Tagen einen guten und aufmerksamen Zuhörer in ihr.

„Opa, erzähl über die Scheune“, sagte sie zu ihm. Dann durfte Thure auch sein Bein weiter bei ihr auf der Bank über ihre kleinen Beinchen legen.

Emma liebte es, wenn Thure dabei stets die gleichen Figuren agieren ließ.

Da waren die Katze Benni, der Hund Bobby, der Spatz Pipeva, und Emma halbe Kita, die mit am Tisch saßen- Bauzu, Viki, Piatessa.
Ganz hinten im Stall war der Esel la der an einer Möhre kaute.

Thure hatte schon überlegt, ob er nicht Esel anschaffen sollte.
„Ein Esel reicht in der Familie“, hatte Maria das aber trocken abgeschmettert.

Thure drückte sich vor der Hausarbeit

Thure erhob sich von der Holzbank und wollte sich aus der Küche verdrücken.

„Du kannst auch ruhig mal das Geschirr in den Spüler räumen“, sagte Maria zu ihm.
„Da ist es zu eng für zwei“, sagte Thure trocken und verschwand im Flur.

„Ich dreh‘ mal ne Runde im Dorf“, sagte er.

Thure zog sich die Jacke über und ging aus der Tür. Es roch nach frischem Gras. In der Ferne strebte der glutrote Ball der Sonne dem Himmel entgegen.

Thure streckte die Arme und entschloss sich, einen Blick in die Gaststube von Jakub Zlobinski zu werfen.
„Wo willst du hin?“, fragte Maria ihn, die plötzlich in der Haustür stand.

„Ach nur mal ein paar Schritte auf der Straße entlanggehen, Richtung Gaststube“, antwortete Thure knapp.

„Aber nicht, dass du da zu Jakub reingehst und einen Kaffee trinkst. Du weißt, dass dies nicht gut ist für deinen Blutdruck“, sagte Maria zu ihm.
„Nö, nö“, brummte Thure und machte sich von dannen.

THURE AUS SCHEBSAND

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14. KALENDERWOCHE – DAS WAREN DIE BEITRÄGE

MEIN FREUND, DER ALLTAG
ALLTÄGLICHES-22.04.09
BIBEL IM ALLTAG

DIE BIBEL ÜBER DIE MACHT DES WORTES UND DIE MÖGLICHKEITEN DER SPRACHE

SCHREIBEN HEISST NICHT, SICH VON DEN BANALITÄTEN DES ALLTAGS ZURÜCKZUZIEHEN

NIETZSCHE ÜBER DIE SCHWELGEREI DER RACHE

SCHREIB ÜBER DICH

DAS DORF SCHEBSAND

ANNA IST DEMENT

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SCHREIB-ALLTAG

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THURE – SCHREIBSKIZZEN (5)

THURE-22.04.08

DAS DORF SCHEBSAND

Was bisher war:
Thure wachte aus seinem schrecklichen Albtraum auf. Er saß auf den Schienen, mitten auf einer freien Zugstrecke und war an Händen und Füssen an die Gleise gefesselt.
Seine Frau Maria erlöste ihn aus seinem Traum.
Thure erinnerte sich daran, wie er kürzlich mit Emma von der Couch aus ‚Angeln‘ gespielt hatte.
„Los Opa, noch mal, feuerte sie Thure an, der die in seiner Hand vermeintlich befindliche Angel drehte.
Thure hatte zu seinem Dorf eine ‚Hass-Liebe‘ entwickelt.
Er lebte nun schon fast dreißig Jahre dort, fühlte sich einerseits zu Hause und andererseits wiederum fremd.

 

Schebsand befand sich am Rand von Berlin, im Norden von Brandenburg.

Es war ein Katzensprung nach Buch und auch bis Berlin-Mitte waren es lediglich 20 Minuten.

„Da kannst du auch mit dem Lastenfahrrad hinfahren“, meinte Thure oft im Scherz.

Thure hasste es inzwischen, in den Prenzlauer Berg hineinzufahren, weil ihm der Stadtteil inzwischen zu gekünstelt vorkam.

Manchmal musste er dorthin, um sich beim Frisör die Haare schneiden zu lassen.

Aber anschließend freute er sich umso mehr, wenn er wieder in sein Dorf flüchten konnte, das er in solchen Momenten besonders liebte.

Thure hatte herausgefunden, dass es sich bei Schebsand um ein Platzkerndorf handelte, das sogar den Dreißigjährigen Krieg überstanden hatte

„Das sind eben Ossis aus Stahl und mit Herz“, sagte Thure.
„Die Ossis gab es doch damals noch gar nicht“, wendete dann seine

Tochter Jette ein, was Thure aber nicht gelten ließ.
„Schebsand lag schon immer im Osten“, brachte er das Totschlagargument an.

Aber viel wichtiger war ihm, dass es im Dorf einen Dorfteich gab, wo er sich auf eine Bank setzen konnte und von wo aus er auch das Geschrei der Kinder vom Spielplatz aus der Kita hörte.

„Du darfst jetzt aber nicht ‚oh, oh‘ sagen, wenn ich hier meine Übungen mache“, drang manchmal das dünne, aber energische Stimmchen von Emma zu ihm herüber.

Dann war für Thure die Welt in Ordnung.
Im Osten grenzte Schebsand an riesige Flächen von Weideland, die der ehemaligen LPG gehörten, die sich nach der Wende in eine Genossenschaft umgewandelt hatte.

Thures Haus lag im Süden von Schebsand. Er hatte damals eine Scheune miterworben, in der sich besonders gern Emma aufhielt und spielte.

Einige hundert Meter entfernt von Thures Grundstück war ein See zu sehen, von dem stets eine frische Prise herüberwehte.

Thures Kummer war, dass vor seinem Haus noch zwei weitere Häuser standen, sodass er keinen freien Blick auf den See hatte.

Dafür liebte er sein Haus umso mehr. Es war über 100 Jahre alt, und so manches war überholungsbedürftig, wenn man es mit modernen Standards der heutigen Zeit verglich.

Der Fußboden im Flur bestand immer noch aus den alten braunen Fliesen, über die ein Teppich gelegt war und die nur noch an den Seiten zu sehen waren. Am Ende des Flurs stand eine alte Bauerntruhe, auf der ein weißes Fell lag.

Die Küche befand sich auf der rechten Seite des Hauses. Sie war geräumig und bildete den Mittelpunkt des Familienlebens. An der Fensterseite stand ein langer Holztisch, den Thure extra für die Küche hatte anfertigen lassen.

Auf beiden Seiten des Tisches waren Sitzgelegenheiten vorhanden. Am Fenster konnte man auf einer Holzbank sitzen, die ebenfalls der Länge des Tisches angepasst war.

Auf der gegenüberliegenden Seite standen Korbstühle, die mit blau-weißen Sitzkissen ausgestattet waren.
An den Fenstern hingen Übergardinen, ebenfalls in den Farben blau-weiß.

An der Stirnseite der Küche war noch ein alter Kohleherd zu sehen. Er wurde nicht mehr benutzt und Maria hatte ihn mit vielen kleineren Gegenständen dekoriert.

Zur Zeit standen dort bereits die ersten Osterhasen und eine Vase mit einem Strauch, an dem Ostereier hingen.

Das alles verlieh dem Ganzen eine gemütliche Atmosphäre, sodass sich die Familie oft länger in der Küche aufhielten und Maria beim Zubereiten des Essens zusahen.

Thure und Emma saßen oft auf der Holzbank zusammen. Thure legte manchmal sein Bein auf die Bank und über die Knie von Emma.
„Opa, nimm den Fuß runter“, sagte die Vierjährige dann.

„Das ist mein Erzählfuß, und der muss oben bleiben, sonst kann ich dir keine Geschichten erzählen“, sagte Thure in solchen Momenten zu ihr.

Emma überlegte kurz und sagte dann: „Komm Opa, leg deinen Fuß ruhig hier drauf.“

„Erzähl von der Scheune“, sagte sie weiter und Thure begann sich eine Geschichte von der Scheune auszudenken, in der der Esel ‚Ia‘ lebte, die Katze ‚Benny‘, der Spatz ‚Pipeva‘ und Emmas Kita-freundinnen.

Thure war wie so oft früh aufgestanden. Er wollte weiterkommen mit dem Schreiben und auch einige seiner Kunden anrufen, um zu fragen, ob die Firmenporträts auf dem Blog verlängert werden sollten.

Er hatte einen guten Draht zu seinen Kunden. Es war mehr freundschaftlich, als geschäftlich, was sicher daherkam, dass er so über so manche Firma und Unternehmer schon viele Jahre schrieb.

Thure fand es immer noch spannend, dass er auf einem Hof saß und trotzdem mit der Welt da draußen kommunizierte.

Unvorstellbar zu DDR-Zeiten, in der es nicht mal in jedem Haushalt ein Telefon gab.

Und nicht auszudenken, wie sein Vater reagierte.
„Du kannst doch nicht in diesem Kuhdorf dein Leben wegwerfen“, hatte er oft zu ihm gesagt.

Aber für Thure war es genau andersherum. In Schebsand, so fand er, hatte sein wahres Leben erst begonnen.

Er saß auf der Holzbank in der Küche, hatte seinen Tee vor sich. Es war kurz nach halb fünf Uhr früh.

THURE AUS SCHEBSAND

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SCHREIB ÜBER DICH

SCHREIB-ALLTAG

SCHREIB-ALLTAG-22.04.07

SCHREIB-ALLTAG IM TELEGRAMMSTIL (2)
DAS HANDWERK DES ERZÄHLENS AUS MEINER PERSPEKTIVE: 
Warum überhaupt den Stift zur Hand nehmen, die Tastatur des Computers quälen, 
Stunde um Stunde mit Sätzen und Worten ringen?
Ist Schreiben eine Krankheit, weil du nicht aufhören kannst, oder ist sie auch so etwas wie Medizin?
Techniken – Erfahrungen und Lücken; im Rhythmus bleiben – schreiben, lernen, üben, schreiben und wieder schreiben; 
Ergebnisse – Geschriebenes und Verworfenes; Emotionen- ‚himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt‘; 
von der Unvernunft, mehr von der Leidenschaft zu zehren als von den Einnahmen.
Ich sehe meine Aufgabe als Autor dieses Blogs nicht darin, andere Menschen an meinem Wissen teilhaben zu lassen.
Das wäre von mir vermessen, denn jeder von uns hat etwas zu dieser Welt, zu seinem Leben zu sagen.
Vielmehr versuche ich meine eigene Welt, mein eigenes Leben besser zu verstehen.
Wenn also überhaupt, so würde ich jedem empfehlen:
Schreib über dich, dein Leben, was es ausmacht, was dich bedrückt und woran du Freude hast.

 

 

SCHREIB-ALLTAG

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NIETZSCHE ÜBER DIE SCHWELGEREI DER RACHE

MEIN FREUND, DER ALLTAG

ALLTÄGLICHES-2022.04.06

Man muss nicht alles mögen und teilen, was Friedrich Nietzsche gesagt und geschrieben hat.
Seine Ideen zu lesen und zu kennen allerdings schärft deinen Blick für den Alltag, bringt dich zum Nachdenken über eigene Positionen, Einstellungen und Handlungen. Und das allein ist schon ein Wert an sich. 

NIETZSCHE ÜBER DIE SCHWELGEREI DER RACHE

„Grobe Menschen, welche sich beleidigt fühlen, pflegen den Grad der Beleidigung so hoch als möglich zu nehmen und erzählen die Ursache mit stark übertreibenden Worten, um nur in dem einmal erweckten Hass- und Rachegefühl sich recht ausschwelgen zu können.“ (1)

(1)
Friedrich Nietzsche, Gesammelte Werke, Anaconda Verlag GmbH Köln, ISBN 978-3-86 647-755-1, S.163, (62)

 

 

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SCHREIB-ALLTAG

SCHREIB-ALLTAG-22.04.05

SCHREIB-ALLTAG IM TELEGRAMMSTIL (1)

DAS HANDWERK DES ERZÄHLENS AUS MEINER PERSPEKTIVE: 
Techniken – Erfahrungen und Lücken; 
im Rhythmus bleiben – schreiben, lernen, üben, schreiben und wieder schreiben; 
Ergebnisse – Geschriebenes und Verworfenes; 
Emotionen- ‚himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt‘; 
Von der Unvernunft, mehr von der Leidenschaft zu zehren als von den Einnahmen; 
warum man weitermacht, obwohl der Job wenig Früchte einbringt. 
Schreiben, erzählen muss leicht aussehen und gerade deshalb treibt es dir ja so sehr den Schweiß in den Nacken, und du knirscht mit den Zähnen, stöhnst, weil dir nach Stunden zähen Ringens der Rücken wehtut.
Deshalb musst du dir immer wieder sagen, dass du dich nicht vom Alltag ausschließen kannst, dich nicht in einen selbsterbauten Elfenbeinturm zurückziehen solltest.
Vielmehr musst du alles Banale im Alltäglichen an dich heranlassen, es faktisch aufsaugen, um dadurch wiederum neue Impulse zu bekommen.

 

SCHREIB-ALLTAG

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DIE BIBEL ÜBER DIE MACHT DES WORTES UND DIE MÖGLICHKEITEN DER SPRACHE

BIBEL

BIBEL-22.04.04

Tod und Leben stehen in der Zunge Gewalt; wer sie liebt, wird ihre Frucht essen.

Spr 18,21

 

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IANA SALENKO FÜR IHRE HEIMAT – DIE UKRAINE

IANA SALENKO

Ich kenne Iana Salenko, 1. Solistin am  Staatsballett in Berlin, nun schon so viele Jahre.
Sie ist ein äußerst bescheidener und sehr warmherziger Mensch.
Iana  möchte helfen.
Sie leidet darunter, dass ihre Familienangehörigen in Kiew dem Krieg ausgesetzt sind und viele ihrer Landsleute ebenso.
Deshalb tut sie das, was sie am besten kann – sie organisiert eine Gala, gemeinsam mit ihrem Tanzpartner Oleksandr Shpak vom Staatsballett Berlin.
Zum Link „Ballet for Life“ by Iana Salenko for Ukraine
https://gofund.me/eba7cafd

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IANA SALENKO – KIEW IST MEINE GELIEBTE HEIMATSTADT

MÄRZ 2022 – DAS WAREN DIE BEITRÄGE

MEIN FREUND, DER ALLTAG

ALLTÄGLICHES-22.04.03

09. KALENDERWOCHE – DAS WAREN DIE BEITRÄGE

10. KW – DAS WAREN DIE BEITRÄGE

11. KALENDERWOCHE – DAS WAREN DIE BEITRÄGE

12. KW – DAS WAREN DIE BEITRÄGE

13. KALENDERWOCHE – DAS WAREN DIE BEITRÄGE

ANNA IST DEMENT

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SCHREIB-ALLTAG

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13. KALENDERWOCHE – DAS WAREN DIE BEITRÄGE

MEIN FREUND, DER ALLTAG
ALLTÄGLICHES-22.04.02
BIBEL IM ALLTAG

DIE BIBEL ÜBER DEN GEWINN VON GUTEM REDEN

IANA SALENKO – KIEW IST MEINE GELIEBTE HEIMATSTADT

NIETZSCHE ÜBER INTELLEKT UND MORAL

ALLTÄGLICHES-PUR UND PROMPT

JEEPYS FAHRER WEISS MAL WIEDER ALLES BESSER, DENKT ER JEDENFALLS

DER ALBTRAUM

IANA SALENKO FÜR IHRE HEIMAT – DIE UKRAINE

ANNA IST DEMENT

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SCHREIB-ALLTAG

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THURE – SCHREIBSKIZZEN (4)

THURE-22.04.01

DER ALBTRAUM

Thure Hansen saß auf den Schienen, mitten auf einer freien Zugstrecke. Er war an Händen und Füssen mit Eisenketten an die Gleise gefesselt und konnte sich kaum bewegen.

Es regnete und es schien, als würden sich Bäche von herabstürzendem Wasser auf ihm ergießen.

Aus der Ferne ertöntes ein schrilles Signal, das Thure zusätzlich erschaudern ließ.

Die Lichtkegel der herannahenden Lokomotive stachen durch die Dunkelheit hindurch und nahmen eine gespenstische Größe an, je näher sie kamen.

„Hilfe, bitte helft mir“, schrie Thure. Aber niemand hörte ihn.
Und so kam, was kommen musste. Der Zug kam näher und Thure fügte sich in sein unausweichliches Schicksal.

Als die Waggons mit unbarmherziger Härte heranratterten, da bewegten sich hinter ihm die Weichen mit einem knackenden und quietschenden Geräusch und schoben den herandonnernden Zug auf die parallel verlaufenden Gleise.

Die Waggons schossen an Thure mit einem ohrenbetäubenden Lärm vorbei, wie von einer unsichtbaren Kraft geleitet.
Thure spürte plötzlich eine Hand, die auf ihm lag.

„Warum schreist du so?“, fragte Maria ihn, nachdem er schweißgebadet aufgewacht war.

„Ach nichts!“, murmelte Thure.
„Die Drogenmafia hat mich auf den Gleisen angekettet. Es gab kein Entrinnen.“

„Du guckst zu viele brutale Filme“, sagte Maria zu ihm, drehte sich um und versuchte weiterzuschlafen.

Thure war froh, dass seine Frau ihn aus diesem Albtraum erlöst hatte.

Er stand auf und schlurfte ins Bad, um sein Gesicht ein wenig zu benetzen.
Obwohl es erst kurz nach drei Uhr war, wollte er aufbleiben.

Bei Thure, im Grunde genommen froh, dem vermeintlichen Unglück entronnen zu sein, stellte sich dennoch keine wirkliche Freude ein.

Ihm kam der Krieg in der Ukraine wieder ins Bewusstsein.
War die Realität etwa noch schlimmer als das, was er gerade geträumt hatte?

Er versuchte an etwas Schönes zu denken.
Gestern hatte er mit Emma, seiner vierjährigen Enkelin auf dem Sofa gesessen und sie hatten Angeln gespielt.

Thure sollte für Emma mit der Angel eine Krone aus dem Wasser fischen, die sie dort verloren hatte.

„Opa, du musst an der Kurbel drehen“, rief Emma. Sie war mit Energie und Phantasie bei dem Spiel.

‚Was für ein glücklicher Moment‘, dachte Thure.
Er hatte für die Kleine einen Strand aus Worten gemalt, mitten auf seiner Lieblingsinsel Rügen, und sie tauchten die Angel in das Wasser, um die Krone zu finden und vielleicht sogar eine Kiste mit Gold.

„Oh, das wird ja immer schwerer. Schau mal, wie sich die Angelschnur biegt. Hoffentlich reißt sie nicht“, schnaufte Thure.
„Mach schnell, Opa!“

Emma hielt es nicht mehr auf der Couch. Sie kroch vom Sitz herunter und kletterte auf die Seitenwand, um sich nach vorn zu beugen, so, als würde sie an der Angelschnur mitziehen können.

„Ach du lieber Gott“, fluchte Thure.
„Es ist ein alter, dreckiger und stinkender Teppich. Wer hat denn den da reingeschmissen?“

Thure spielte seine Enttäuschung so echt, dass Emma in glucksendes Lachen ausbrach.
Ihre Zähne blitzen, ihre Augen funkelten und sie klatschte vor Begeisterung in die Hände.

„Los Opa, noch mal“, feuerte sie Thure an, der die vermeintliche Angel in der Hand drehte und mit noch größerem Schwung und unter großem Beifall von Emma wieder in das Wasser warf.

„So Emma, wir müssen nach Hause fahren“, sagte Emmas Mama, die unbemerkt ins Wohnzimmer gekommen war.

„Ich bleib’ bei Opa. Wir müssen noch die Krone finden“, sagte Emma und spornte Thure an.
„Machen wir weiter, Opa.“

Thure musste nun schmunzeln, als er sich an die schönen Momente mit Emma erinnerte und gleich wieder traurig wurde. Es könnte alles so schön sein. Wäre da nur nicht dieser furchtbare Gedanke an den Krieg in der Ukraine.

Schon ein wenig munterer befeuchtete Thure weiter seine Lippen und die Augen mit ein paar Spritzern Wassern.

‚Warum stand er so früh auf, war es etwa senile Bettflucht?‘, schoss es ihm durch den Kopf, als er sein zerknittertes Gesicht im Spiegel betrachtete.

Nein, das war es wohl nicht. Er fühlte sich von etwas Unsichtbarem getrieben, etwas, das ihn sein ganzes Leben in Trab gehalten hatte – der ungläubige Wille, noch etwas Sinnvolles zu schaffen.

„Ich muss um vier Uhr aufstehen, sonst schaffe ich mein Pensum nicht“, sagte er zu seiner Frau, die nur die Augen verdrehte.

„Du bist Rentner“, versuchte sie ihn auf den Boden der Tatsachen zu holen, aber davon wollte Thure nichts wissen, und so prallten die Worte an ihm ab.

Thure machte Sport. Fast jeden Tag lief er früh durchs Dorf, genau dann, wenn die anderen Bewohner noch schliefen und nicht sehen konnten, wenn er seine Stöcke in den Boden rammte und dabei schnaufte, als würde er eine Lokomotive hinter sich her schleifen.

Morgens war es für ihn am schönsten. Er konnte in die Wiesen schauen, auf denen noch der Nebel lag und nur langsam aufstieg, und er lief an den Häusern vorbei, in denen nur selten bereits Licht brannte.

Thure liebte sein Dorf und manchmal hasste er es auch, obwohl er nun schon fast dreißig Jahre dort wohnte.

Es war so ein Gefühl, dass er nicht wirklich dazugehörte, sich woanders hinsehnte, nach Schwerin zum Beispiel oder nach Rügen, seine geliebte Insel.

Aber nun war er in Brandenburg, wurde dort wahrscheinlich begraben und die Dorfbewohner würden auf der Beerdigungsfeier wahrscheinlich sagen, dass er eigentlich gar nicht von hier war, ein Fremder eben.

THURE AUS SCHEBSAND

NIETZSCHE ÜBER INTELLEKT UND MORAL

MEIN FREUND, DER ALLTAG

ALLTÄGLICHES-2022.03.30

Man muss nicht alles mögen und teilen, was Friedrich Nietzsche gesagt und geschrieben hat.
Seine Ideen zu lesen und zu kennen allerdings schärft deinen Blick für den Alltag, bringt dich zum Nachdenken über eigene Positionen, Einstellungen und Handlungen. Und das allein ist schon ein Wert an sich. 

 

„Man muss ein gutes Gedächtnis haben, um gegebene Versprechen halten zu können.

Man muss eine starke Kraft der Einbindung haben, um Mitleid haben zu können. So eng ist die Moral an die Güte des Intellekts gebunden.“ (1)

 

 

(1)
Friedrich Nietzsche, Gesammelte Werke, Anaconda Verlag GmbH Köln, ISBN 978-3-86 647-755-1, S.162, (59)

 

IANA SALENKO – KIEW IST MEINE GELIEBTE HEIMATSTADT

IANA SALENKO

IANA-22.03.29

 Iana Salenko ist in Kiew geboren und hat dort eine wohlbehütete sowie glückliche Kindheit verbracht.

Ich habe sie 2008 in Berlin kennengelernt.

Wir haben seitdem viele Gespräche und Interviews geführt.

Keiner von uns hätte gedacht, dass ihre Heimat aktuell so unter einem Krieg zu leiden hat.

„Ich bange jeden Tag, dass mein Vater in Kiew ans Telefon geht und ich so weiß, dass er noch lebt“, sagt sie mir im Gespräch.

Sie will etwas tun – gegen den Krieg in ihrer Heimat und plant deshalb eine Gala.

„Ich denke, dass ich durch meine künstlerische Ausdrucksform am besten mein Herz sprechen lassen kann und vor allem so die Herzen der anderen Menschen erreiche“, erklärt sie weiter.

Hier einige ausgewählte Texte und ein E-Book über das Leben und das Denken der Prima Ballerina und ihrer Familie.

DER KLEINE EMILIAN IST DA

IANA - 2

IANA SALENKO IM TELEFONINTERVIEW

IANA-1 a

GESPRÄCHE MIT EINER PRIMA BALLERINA

IANA ERZÄHLT

 

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DIE BIBEL ÜBER DEN GEWINN VON GUTEM REDEN

BIBEL

BIBEL-22.03.28

Einem Mann wird vergolten, was sein Mund geredet hat, und er wird gesättigt mit dem, was seine Lippen einbringen.
Spr 18,20

 

MEIN FREUND, DER ALLTAG

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12. KW – DAS WAREN DIE BEITRÄGE

MEIN FREUND, DER ALLTAG

ALLTÄGLICHES-22.03.26

BIBEL IM ALLTAG

DIE BIBEL ÜBER UNÜBERLEGTES REDEN

WENN MEIN FREUND, DER ALLTAG DOCH ANTWORTEN KÖNNTE (1-3)

WENN MEIN FREUND, DER ALLTAG DOCH ANTWORTEN KÖNNTE (4)

 

 

 

 

SCHREIBEN, ERZÄHLEN – DAS IST ZUALLERST HANDWERK

DIE PRÄMISSE DER ERZÄHLUNG VON ‚THURE AUS SCHEBSAND‘

SCHREIBEN, ERZÄHLEN – DAS IST ZUALLERST HANDWERK

SCHREIB-ALLTAG

SCHREIB-ALLTAG-22.03.24

BEITRÄGE AUS DEN JAHREN 2021 UND 2020

IM SCHREIB-ALLTAG SEIN HANDWERK BEHERRSCHEN

2020

SCHREIBEN IN ZEITEN VON CORONA

SCHREIB-ALLTAG

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WENN MEIN FREUND, DER ALLTAG DOCH ANTWORTEN KÖNNTE (4)

MEIN FREUND, DER ALLTAG

ALLTÄGLICHES-22.03.23

VOM NORDIC WALKING IN NEUEN LAUFSCHUHEN

„Ich habe es geschafft, lieber Alltag, ich konnte mich wieder aufraffen und eine halbe Stunde Nordic Walking machen“, sagte ich freudig und energiegeladen, nachdem ich frisch geduscht am Schreibtisch saß.

„Donnerwetter, dass du dich überwinden konntest, da staune ich. Wann bist du denn aufgestanden?“, fragte mich der Alltag.

„Kurz vor fünf Uhr. Danach habe ich mir die kleine Lampe über die Mütze gezogen – du weißt schon, damit ich wenigstens ein bisschen was sehe, ja und dann bin ich losgelaufen.“

„Wie, du bist, ohne dich umzuziehen, nur mit einer Lampe und den Stöcken losgelaufen?“

„Alltag, frag‘ doch nicht so blöd. Natürlich habe ich mich angezogen. Anschließend musste ich mich noch in die neuen Laufschuhe quälen.
Klara hatte mir welche gekauft.“

„Und, hast du dich gefreut?“
„Also, wenn ich ehrlich bin, dann muss ich ‚nein‘ sagen.
„Warum?“, fragte der Alltag erstaunt.

„Naja, erst einmal liebe ich meine ausgelatschten Schuhe, die oben leicht eingerissen sind. Aber genau darum kann ich ja besser in die Schuhe reinrutschen, weil sie schon so kaputt sind.“

„Und nun?“
„Jetzt musste ich mich mit dem Schuhanzieher quälen. Als ich die Schuhe endlich anhatte, da drückte eine Seite am linken Fuß. Aber ich war zu faul, sie aufzumachen und alles von vorn zu schnüren.“

„Hat dich der Schuh stark gedrückt?“
„Und wie!“

„Außerdem, lieber Alltag, hat Klara gleich zwei Paar Schuhe gekauft.“
„Das ist doch schön. Ich hoffe, du hast dich bedankt.“

„Ja, schon. Ich habe ihr aber auch gesagt, dass sie lieber ein paar Schuhe hätte kaufen sollen und dafür Bessere, so richtig gute.“

„Was hat Klara gesagt?“

„Das nächste Mal, da kaufst du dir deine dämlichen Schuhe alleine.“
„Und, machst du das?“
„Nö, ich hab‘ ja jetzt erst einmal welche, sogar zwei.“

 

WENN MEIN FREUND, DER ALLTAG DOCH ANTWORTEN KÖNNTE (1-3)

MEIN FREUND, DER ALLTAG

ALLTÄGLICHES-22.03.22

WENN MEIN FREUND, DER ALLTAG ANTWORTEN KÖNNTE (1)

WENN MEIN FREUND, DER ALLTAG ANTWORTEN KÖNNTE (2)

WENN MEIN FREUND, DER ALLTAG ANTWORTEN KÖNNTE (3)

 

DIE BIBEL ÜBER UNÜBERLEGTES REDEN

BIBEL

BIBEL- KOMPAKTE WEISHEIT FÜR DEN ALLTAG

BIBEL-2022.03.21

„Der Mund des Toren bringt ihm sein Verderben, und seine Lippen bringen ihn zu Fall.“

Spr 18, 7

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11. KALENDERWOCHE – DAS WAREN DIE BEITRÄGE

MEIN FREUND, DER ALLTAG

ALLTÄGLICHES-22.03.19

BIBEL IM ALLTAG

DIE BIBEL ÜBER ERWORBENE KLUGHEIT, DIE VOR FEHLERN BEWAHRT

NIETZSCHE ÜBER DIE ÖKONOMIE DER GÜTE

WENN MEIN FREUND, DER ALLTAG ANTWORTEN KÖNNTE (2)

WENN MEIN FREUND, DER ALLTAG ANTWORTEN KÖNNTE (3)

THURE AUS SCHEBSAND – EINFÜHRUNG (2)

WENN MEIN FREUND, DER ALLTAG ANTWORTEN KÖNNTE (3)

MEIN FREUND, DER ALLTAG

ALLTÄGLICHES-2022.03.17

„Guten Morgen, Alltag, heute melde ich mich mal bei dir zuerst und erzähle, wie es in Buch gelaufen ist.“
„Warum denkst du, dass es mich interessieren könnte, was du dort erlebt hast?“, fragte mich der Alltag.
„Naja, weil es Stück von dir ist, vom Alltag eben – nichts Sensationelles, Aufregendes, eher Alltägliches“, antwortete ich.
„Gut, dann erzähl mal“, sagte der Alltag. Er schien wirklich nicht sonderlich interessiert zu sein.
Und trotzdem: Ich begann, ihm meine Beobachtungen und Erlebnisse zu erzählen.
Ich nannte meinen Erlebnisbericht den

‚AUSFLUG INS KLINIKUM NACH BUCH‘

Ich hasste diesen Tag. Ich musste nach Buch fahren, um ein Belastungs-EKG zu absolvieren. Lieber würde ich am Schreibtisch sitzen. Selbst die Korrektur einer Augenoptik-Broschüre kam mir in diesem Augenblick als etwas sehr Erstrebenswertes vor, wenn ich mich dadurch vor dem Untersuchungstermin drücken konnte.

Ich kam in Buch an und fuhr problemlos ins Parkhaus.
Ich nahm die schwarze Tasche aus dem Auto und strebte dem Ausgang zu.

Das Parkhaus hatte einen Fahrstuhl.
Obwohl ich auf der zweiten Parkebene war, wollte ich nicht die Treppen laufen.

Warum sollte ich laufen, wenn ich bequem runterfahren konnte?
Der Fahrstuhl kam schnell, die Tür ging auf und ich begab mich ins Innere.

Obwohl das Parkhaus noch nicht einmal drei Jahre alt war, alles noch neu schien, machte der Fahrstuhl einen sehr dreckigen Eindruck. Der Spiegel war an mehreren Stellen mit spitzen Gegenständen bearbeitet worden.

An die Wände war weiße Farbe geschmiert worden. Auf dem Fussboden lag verkohltes Papier und unter meinen Füssen knirschte das Glas einer zertrümmerten Bierflasche.

Ich war froh, als ich unten angekommen war.
Ich musste über einen weiteren grossen Parkplatz laufen, um zum Hauptgebäude zu gelangen. Der Wind blies mir ins Gesicht und ich machte im Gehen den Mantel zu.

Als ich vor der Drehtür des Klinikums am Eingang stand, da wartete ich, bis die offene Seite der Tür bei mir angekommen war. Ich ließ noch einer Frau, die hinter mir lief, den Vortritt.

Sie dankte es mir, indem sie betont langsam reinging. Ich wäre danach fast nicht mehr reingekommen.
Ich hatte allerdings bereits einen Schritt in das Rondell gemacht, war quasi mit einem Bein im ‚Boot‘ und mit dem anderen noch auf dem ‚Steg‘.

Das Dilemma: Die Frau vor mir ging nun gar nicht mehr weiter und sagte stattdessen mürrisch: „Wir kommen alle an!“
‚Da wolltest du mal ein Gentleman sein und schon geht es schief‘, dachte ich bei mir.

„Wenn Sie weiter stehenbleiben, während sich die Drehtür bewegt, dann werden wir einfach nur kurz ins Foyer geschleift und dann wahrscheinlich wieder in Richtung Ausgang zurückgedrückt“, sagte ich leicht genervt zu ihr.

Ich wollte mich nicht aufregen und nun tat ich es doch. Aber irgendwann stand ich dann doch im Eingangsbereich des Klinikums.
Und schließlich saß ich in der Empfangshalle zur Kardiologie und wartete, bis meine Nummer aufgerufen wurde.

An der Leuchttafel erschien die 102. Auf meinem Ticket stand die Zahl 106.
Es konnte also nicht mehr so lange dauern. Ich schaute mich um.
Der Raum, in dem ich sass, war hell.

Das Dach war gewölbt und aus Glas, durch das die Sonne gleisste.
Ob es hier im Sommer warm wurde und man es dann nicht aushalten konnte?

Ich wollte es nicht ausprobieren, aber ich fürchtete, dass ich nicht das letzte Mal zur Untersuchung im Klinikum war.
Die Schwester am Tresen war freundlich.

„Gehen Sie einfach geradeaus, nehmen Sie Platz, Sie werden aufgerufen“, sagte sie zu mir.

‚Ergometrie‘ stand an der Tür auf einem Schild, vor dem ich wartete.
Ich war irgendwie froh, dass ich meine Beschäftigung hatte. Ich saß auf einem Holzstuhl und schrieb auf meinem iPhone.

Besser, ich tippte mit meinen beiden Daumen auf die Buchstaben der Tastatur und wenn ich Glück hatte, dann traf ich den richtigen von ihnen.

Meine Daumen waren zu dick, sodass ich manchmal den Buchstaben rechts oder links erwischte und nicht den, den ich eigentlich treffen wollte.

Aber ich hatte mich schon recht gut eingefuchst
Ich tippte lediglich mit den Spitzen der Daumen auf die Zeichen und so blieb die Fehlerquote niedrig.

Ich hatte meine Tasche neben mir abgestellt, die Beine weit ausgestreckt und unten die Füsse übereinander gelegt. Auf meinem Bauch lag die schmale Seite des Handys, sodass ich das Gewicht des Handys nicht wo spürte und ich eine stabile Position beim Schreiben innehatte.

Die Tür zur Praxis ging auf und im Türrahmen stand eine Schwester, die mir Angst einflösste.

„Herr Müller“, hörte ich meinen Namen von ihr rufen. Ich blickte mich um, vielleicht war ja noch ein zweiter Müller im Warteraum, so unwahrscheinlich war das ja nicht, bei meinem Nachnamen. Aber es rührte sich keiner von denen, die auf den weiteren Stühlen Platz genommen hatten.

Alle waren wohl mit sich beschäftigt und warteten nur darauf, dass ihr Name aufgerufen wurde.
Ich ging in das Zimmer.

„Guten Tag“, sagte ich freundlich und mit einem beklemmenden Gefühl in der Brust.

„Sie können dort ihre Sachen hinlegen“, sagte die Schwester, ohne meinen Gruß zu erwidern.

Ich machte den Oberkörper frei, bis auf ein T-Shirt, dass ich extra unter den Pullover gezogen hatte, um nicht nackt dazustehen.
„Das Hemd müssen Sie auch ausziehen“, schnarrte die Schwester im Befehlston.

Ich war nicht begeistert. Mein Plan war nicht aufgegangen und abgenommen hatte ich auch nicht genügend.
„Sie haben ja täglich das Grauen vor Augen“, versuchte ich zu scherzen.
„Dann können Sie nicht in einem medizinischen Beruf arbeiten“, sagte sie, ohne sich umzudrehen.
Ich stand mit nacktem Oberkörper vor ihr und fühlte mich, als würde ich gleich auf den elektrischen Stuhl geführt werden.
„Setzen Sie sich auf das Fahrrad“, sagte sie.

Ich versuchte das Bein über die Stange in der Mitte zu heben und suchte nach einer Möglichkeit, mich abzustützen.
„Nicht auf das Messgerät fassen“, sagte die Schwester im belehrenden Ton.

„Ich bin nicht senil“, knurrte ich zurück.
Ich merkte, wie so langsam kalte Wut in mir aufstieg.
Die nächsten Minuten verliefen schweigend. Die Schwester schloss mich an eine Reihe von Drähten an.

„Jetzt fangen Sie an, in die Pedalen zu treten und alle zwei Minuten werde ich die Belastung steigern.“

Ich nickte und begann meine Beine zu bewegen, immer im Kreis und ohne, dass ich vorwärtskam.
Obwohl ich die Schutzmaske aufbehalten musste, lief es besser, als ich es selbst erwartet hätte.

„Das sieht ja gar nicht so schlecht aus“, sagte die Schwester nachdem ich aufgehört hatte.

„Muss ich sterben?“, fragte ich.
„Ja, aber nicht sofort“, antwortete sie trocken.
Ich hatte irgendwie den Eindruck, dass sie lockerer wurde.

„Sie haben promoviert?“, fragte sie nun.

„Ja, sagte ich“, aber das ist nicht mehr wichtig“, antwortete ich.
„Was ist Ihnen wichtig?“, fragte sie mich.

„Dem Alltag ein bisschen Freude abgewinnen.“
„Das ist leichter gesagt, als sie es hier umsetzen können“, sagte die Schwester.

Ich staunte, dass sie sich überhaupt auf einen Dialog mit mir einließ.
„Wissen Sie, Sie werden ja nicht den ganzen Tag vor Glück umherspringen müssen, aber Sie hätten schon Grund, um ein wenig glücklich zu sein.“

„Wie soll das gehen?“, fragte sie mich misstrauisch.
Ich hätte jetzt antworten können, dass ich nicht ihr Seelentröster bin, kein Coach und auch nicht ihr Clown, der für ihre gute Laune zu sorgen hatte.

Laut sagte ich etwas Anderes:
„Sie haben einen tollen Beruf. Sie helfen Menschen. Und ganz wichtig: Sie können mit den Patienten kommunizieren, Sie ermuntern, einfach für sie da sein.“

„Hm“, sagte sie und schaute mich ungläubig an.
„Es kostet ein wenig Kraft und Überwindung. Doch wenn Sie es schaffen, am Tag auch nur eine Sache gut zu finden, dann haben Sie gewonnen.

Sie schauen aus einem Fenster in einen Park hinein, sie arbeiten ganz allein in diesem Zimmer, sind sozusagen der ‚Kapitän‘ auf Ihrem Boot und sie lernen die unterschiedlichsten Menschen kennen“, schob ich noch hinterher.“

Jetzt war ein flüchtiges Lächeln auf Ihrem Gesicht zu sehen.
„Ich wünsche Ihnen noch einen wirklich schönen Tag“, sagte sie zu mir, als ich aus dem Zimmer ging.

‚Das hast du aber gut hingekriegt‘, flüsterte der Alltag mir ins Ohr.
‚Ich hab‘ dich auch lieb‘, brummte ich.