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Es war ein Freitag, ich saß am Schreibtisch, formulierte an einem Text und das Telefon klingelte. Klara war dran.
„Du kannst mich abholen, ich geh‘ zur Kasse“, sagte sie zu mir.
Klara wusste, dass ich es hasste, mit in den Supermarkt zu kommen, und so fuhr ich sie hin und ich verschwand auch wieder,, damit Klara in Ruhe durch die Regale schlendern und einkaufen konnte.
Ich war in der Zeit lieber wieder im Arbeitszimmer. In Trainingshosen, bequem eben. Sonst konnte ich nicht denken.
Und in dieser Kleidung holte ich Klara auch wieder ab. Sie hasste es, wenn ich so schlampig daherkam. Aber ich machte mir daraus nichts.
Bis auf diesen Tag, als mir von Weitem ein Ehepaar zuwinkte, das auf mich zukam und sich dabei angeregt mit Klara unterhielt.
Ich stöhnte innerlich auf, ich wollte mich nicht unterhalten, ich wollte wieder zurück an meinen Schreibtisch.
Als die drei vor mir standen, da erkannte ich sie. Es waren Bekannte, die ich lange nicht gesehen hatte.
„Und, wie geht’s dir?“, fragte Walter mich, während er aufmerksam an mir heruntersah.
Walter war sehr gut gekleidet, leger, aber man erkannte, dass er Wert darauflegte, wie er rüberkam.
‚ICH BIN JETZT TRAUERREDNER‘
Ich dagegen stand ihm in meinen schlottrigen Trainingshosen gegenüber.
An der rechten Hosentasche klebte noch etwas Zahnpasta und ich hätte vor Scham in den Erdboden versinken mögen.
„Mach‘ die Zahnpasta von deiner Hose ab“, hatte Klara mir noch an dem Morgen gesagt.
„Ja, wenn ich zurück bin“, erwiderte ich.
Ich hatte es schlichtweg vergessen und dafür lieber meine Planung für die Woche überarbeitet.
Nun war es zu spät.
„Du, ich kann nicht genug klagen“, antwortete ich halb im Scherz auf Walters Frage.
„Und selbst?“, fragte ich ihn.
„Wir kümmern uns um die Enkel, denn unser Sohn ist ja viel beschäftigt. Er ist Vorstandsmitglied geworden.“
„Oho!“, gab ich zurück und schwieg.
„Bist du noch als freier Journalist in deiner schreibenden Gilde unterwegs?“, fragte Walter mich und ich meinte einen mitfühlenden Ton herauszuhören.
„Nein, dafür habe ich keine Zeit mehr. Ich schreibe nur noch ab und zu auf meinem Blog, aber keine Business-Texte mehr über andere Unternehmen“, entgegnete ich.
„Ich bin jetzt Trauerredner“, fügte ich trocken an.
Walter riss die Augen auf, wich einen Schritt zurück und überlegte wohl, welche Fluchtwege ihm offenstanden.
Walter war Professor, hatte Physik studiert. Wir trafen uns vor Jahren das erste Mal in einer Unternehmensberatung, wo ich als Manager anfing und er bereits einen Fachbereich leitete – in der Abteilung, die ich künftig übernehmen sollte.
Er hatte das nie so richtig verwunden, dass er nicht der Manager geworden war. Aber so war es nun mal. Ich wusste davon auch zunächst nichts, denn ich war von außen in das Unternehmen geholt worden.
Jetzt aber schien Walter wirkliches Mitleid mit mir zu haben.
„Soweit bis du also unten angelangt“, schien mir seine Mimik zu sagen.
Er schaute zu seinem nagelneuen BMW hinüber, der unweit von uns stand, und dann wieder zurück auf meinen kleinen Jeep, der von hinten auch noch aussah, als wäre es ein kleiner Renault Twingo.
Also selbst das hatte das Leben in Walters Augen wohl zurechtgerückt, denn er kannte mich nur, dass ich in einem 7er BMW saß und damit gehetzt durch die Gegend bretterte.
Was sollte ich Walter sagen: Dass ich nun viel glücklicher war, einen Beruf gefunden hatte, der hart war, aber der mir die Erfüllung im Leben gab, die ich selbst auf der höchsten Stufe meiner Karriereleiter nie gefühlt hatte?
Es würde an Walter abprallen. Ich könnte zu ihm nicht durchdringen.
Also verabschiedeten wir uns nach einem Small-Talk und stiegen wieder ins Auto.
„Du hast ja nicht einmal die Zahnpasta von deiner Hose abgemacht. Hast du nicht gesehen, wie Walters Frau immer näher an dich heranrückte und auf den Fleck starrte?“, fragte Klara mich entrüstet.
„Weißt du, ich bin ich einfach glücklich“, sagte ich, ohne auf Klaras Vorwurf einzugehen.
„Dass du so schlampig umherläufst, das macht dich glücklich? Das fällt doch auf mich zurück!“, schimpfte Klara weiter.
„Nein, dass ich eine Tätigkeit gefunden habe, der mir einfach Spaß macht“, antwortete ich.
Klara sah mich an und nickte. Sie sah es genauso und sie wusste, dass es schwer war, dieses Glücksgefühl anderen Menschen zu vermitteln.
Ja, ich war Trauerredner und liebte inzwischen meinen Beruf.
Es ist zwanzig Jahre her, als ich meinen Vater besuchte und ihn fragte, ob er noch arbeiten würde.
Er war Jahrzehnte ordentlicher Professor an der TU in Dresden gewesen und wohnte nun in einer Wohnung, die ohne Weiteres dem betreuten Wohnen zugerechnet werden konnte.
„Ich halte Trauerreden“, sagte damals mein Vater trocken und schnörkellos.
„Bist du wahnsinnig! Du schadest deinem Ruf“, sagte ich zu ihm.
„Für meinen Ruf und meine Titel gibt es die Brötchen trotzdem nicht umsonst beim Bäcker“, antwortete er mir.
Auf der Rückfahrt von Dresden sagte ich zu Klara: „Wenn der das macht, dann verdient der auch gut, und dann macht es ihm auch Spaß. Der fasst nichts an, wo er keinen Beifall erhält“, fügte ich noch an.
Klara schmunzelte und nickte.
DU KANNST DOCH DIE REDE FÜR KLARAS TANTE HALTEN
Die Jahre vergingen. Wir waren im Urlaub an der Ostsee.
Wir nutzten den Aufenthalt, um einen Verwandten aufzusuchen, dessen Frau gerade verstorben war. Es war Klaras Tante. Klara hatte sie besonders gern gemocht, und ich mochte sie ebenso.
„Wir redeten ein wenig und plötzlich fing Klaras Onkel an, mir zu erzählen, wie die Trauerrednerin bei ihm gewesen war und was sie alles in der Rede sagen wollte.
„Aber das sind doch Worthülsen, die zwar gut klingen, wahrscheinlich irgendwo sogar abgeschrieben wurden. Aber sie haben doch nichts mit dem zu tun, was deine Frau ausgemacht hat, was Klara an ihrer Tante so schätzte und mochte.“
Der Onkel schaute mich an, stimmte mir zu und fragte mich, ob ich nicht die Rede übernehmen wollte.
Ich wollte nicht. Wir waren im Urlaub, ich hatte keine Ahnung, wie man so etwas anging.
„Nein, auf keinen Fall“, sagte ich.
„Und außerdem hast du doch schon eine professionelle Rednerin.“
„Naja, du wärst mir lieber“, sagte er zu mir.
„Wenn einer reden kann, dann du“, schob er noch hinterher.
„Ja, das stimmt“, nickte Klara.
Ich sträubte mich, denn ich wollte mir diese Bürde nicht aufhalsen.
Jetzt redeten beide auf mich ein.
„Wenn das dein Vater kann, dann kannst du es auch“, sagte Klara überzeugt.
Sie wusste, wie ich meine Vorlesungen ausgearbeitet, und wie ich sie vor Studenten gehalten hatte. Das war aber schon wieder eine Weile her.
Das entscheidende Argument, was mich schließlich überzeugte, kam von Klaras Onkel selbst.
„Im Grunde genommen bin ich so traurig, dass Hedwig die Rede nicht halten kann, denn sie ist zurzeit sehr krank“, sagte er.
Ich kannte Hedwig und ich wusste, dass sie Pfarrerin in Berlin war. Sie konnte exzellent reden und auch schreiben. Vor allem aber wusste sie, wie man die Geschichte eines Menschen erzählt.
Hinzukam: Hedwig kannte Klaras Tante von Jugend an.
Ich verstand nun, dass ich gar nicht die erste Wahl war für die Rede.
Aber an zweiter Stelle zu stehen – auf der Wunschliste von Klaras Onkel, und nur noch diese großartige Pfarrerin vor mir zu haben, das überzeugte mich.
„Gut, ich werde das machen“, sagte ich und ich überlegte, ob ich das wirklich hinbekommen konnte. Ich war zweifelte und ich wusste vor allem nicht, wie ich es angehen sollte.
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Was bisher war: Klara und ich wussten, dass wir etwas verändern mussten. Wir wurden nicht jünger und wir wollten ein neues Zuhause suchen. Der Gedanke war da, der Entschluss war gefasst. Im Herzen aber, da fiel es uns schwer, diese Veränderungen wirklich in Angriff zu nehmen. Schließlich griff ich doch zum Hörer, um einem Bauträger einen Besichtigungstermin zu vereinbaren.
„Sie können noch in dieser Woche zur Besichtigung vorbeikommen“, sagte die Mitarbeiterin des Bauträgers am Telefon.
„Das klingt gut“, sagte ich und vereinbarte einen Termin für den Donnerstag in der gleichen Woche, in der ich angerufen hatte.
Wir waren bereits an einem Sonntag auf der Baustelle gewesen, auf der die neuen Häuser errichtet wurden.
„Siehst du, da ist die Wohnung im achten Stock, keiner über uns und mit einer Wohnfläche von fast 100 qm.
Eine Terrasse gibt es auch. Sie geht über die gesamte Breite der Wohnung. Siehst du das?“, fragte Klara mich eindringlich, so als ob ich nicht sehen könnte und zum ersten Mal auf der Baustelle die Wohnung sah, die sie bereits für sich im Kopf beschlagnahmt hatte.
Aber Klara hatte sich tatsächlich bereits alle Grundrisse im Internet angesehen, im Gegensatz zu mir, der sich nicht festlegen wollte auf Projekte, die vielleicht utopisch waren. Die Wohnung hatte eine herausragende Lage, sie war bestimmt schon die erste, die weg war. Doch das sagte ich nicht laut.
Laura hatte Klara dabei geholfen und beide hatten die Zimmer bereits virtuell eingeräumt, während ich im Nebenzimmer am Schreibtisch saß und mich mit den Belegen für die Steuer herumplagte.
„Wenigstens trennt hier eine Wand die Küche vom Wohnzimmer ab“, hörte ich Klara sagen.
Sie mochte die Varianten der amerikanischen Küchen überhaupt nicht. Früher, da gab es in jeder noch so kleinen DDR-Wohnung einen abgetrennten Raum, in der die Küche war. So hatte ich es jedenfalls in Erinnerung.
Doch nun war es anders, jetzt gab es überwiegend die Grundrisse bei den neu errichteten Wohnungen, bei der die Küche in den Wohnraum integriert war.
Der Tag der Besichtigung war da und wir warteten aufgeregt vor dem Bauzaun, um von einem Mitarbeiter abgeholt zu werden.
„Ich gehe nach rechts, da kommt der Verkäufer bestimmt“, sagte Klara.
„Du musst strategisch denken“, entgegnete ich, „der Verkäufer kommt unter Garantie hier, an der Hauptachse und lässt uns rein.“
Während ich das sagte, war Klara bereits ein paar Meter weiter nach rechts gegangen.
Wenige Augenblicke später kam der Verkäufer. Auf der Seite, auf der Klara stand.
Ich lief verdrossen nach rechts und begrüßte den Mitarbeiter, der mich kaum wahrnahm, weil er bereits in einem angeregten Gespräch mit Klara war.
Sie gingen beide vor mir, während ich hinterhertrottete.
Der Verkäufer lief zielstrebig an dem Haus vorbei, in der sich unsere ‚Traumwohnung‘ befand.
Bauarbeiter eilten achtlos an uns vorüber und hinter uns hupte ein Bagger, um sich seinen Weg zu bahnen.
Ich musste an Krümel denken, der ich abends noch das Buch von der ‚Baggerfahrerin Annette Kuhn‘ vorlesen musste.
Hier, auf der Baustelle, da war das alles nicht so lustig.
Klara blieb plötzlich stehen. „Die Dachgeschoßwohnung, die noch frei ist, die ist doch in dem Haus daneben, oder?“
„Ja, das ist richtig, aber sie ist nicht mehr frei, sondern in der Zwischenzeit reserviert“, sagte der Verkäufer, ohne sich weiter umzudrehen. Er konnte deshalb nicht Klaras enttäuschte Gesichtszüge sehen.
„Was werden wir denn besichtigen?“, fragte ich, um das Schweigen zu überbrücken.
„Eine sehr schöne 3-Raum-Wohnung im 2. Obergeschoß“, sagte der Verkäufer und zeigte auf das Haus neben unserer Traumwohnung.
Klara schwieg beharrlich weiter. Wir gingen in den Eingang und der Verkäufer bat uns zu warten.
„Ich hole für uns noch etwas zum Überziehen für die Schuhe, denn das Parkett ist bereits verlegt“, sagte er.
„Oh“, sagte ich und wollte meine Bewunderung über diese Vorsichtsmaßnahme zum Ausdruck bringen.
Klara schwieg. Als der Verkäufer die Treppe runtergegangen war, da sagte Klara kurz und knapp: „Ich will diese Wohnung nicht.“
„Lass sie uns wenigstens ansehen, absagen können wir immer noch.“
Der Verkäufer kam wieder, mit ein paar Überziehern in der einen Hand und einem Stuhl in der anderen.
„Hier können Sie sich draufsetzen, dann fällt es Ihnen leichter, sich die Überzieher über die Schuhe überzustreifen“, sagte er zu Klara.
„Setz du dich hin, du schaffst es doch kaum, dir die Schnürsenkel im Stehen zuzubinden“, sagte Klara.
Ich kochte innerlich, setzte mich hin, und ich meinte ein feines Lächeln im Gesicht des Verkäufers zu entdecken.
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„Sich verändern ist wichtig und manchmal alternativlos!“ Diese Worte gehen dir leicht über die Lippen, wenn es nicht dich betrifft, sondern du nur so mal einem guten Freund einen Ratschlag erteilst. Aber was ist, wenn du selbst gemeint bist, wenn dir dieser Gedanke für dein Leben einschießt, dass du etwas verändern musst?
Montagmorgen in der vergangenen Woche. Krümel war wieder weg. Ich hörte gerade die Audioaufnahme von ihr ab.
„Zwei kleine Italiener…“, sang sie mit leiser und feiner Stimme, brach dann ab und rief: „Hallo Oma, Opa, ich hab‘ Euch ‚liiieeeb“.
Ich seufzte und wandte mich wieder den Alltagssorgen zu. Die Folgen der Überschwemmung im Keller sassen Klara und mir noch im Nacken.
„So kann es nicht weitergehen!“, sagte ich zu ihr.
Sie schwieg.
„Was willst du tun?“
„Wir müssen uns eine Wohnung suchen, die altersgerecht ist, allen Komfort bietet und vor allem eines ist, trocken!“, antwortete ich.
Wir redeten schon lange davon, dass wir uns verkleinern wollten, abends nicht mehr Treppen hochklettern müssten, um mit letzter Kraft ins Schlafzimmer zu gelangen.
Der Wassereinbruch im Keller nach dem Unwetter war nur der letzte Anstoß.
‚Ist es wirklich so schlimm?‘, fragte ich mich.
Ich mach‘ noch Sport, Nordic Walking, bin trotzdem zu dick, aber immerhin noch gut beweglich.
Klara sagte: „Ich will das alles nicht mehr.“
„Was meinst du?“, fragte ich sie.
„Naja, das mit dem Garten, mit der Hecke schneiden, dem Rasenmähen, den Carport ausfegen.“
„Den Carport fege ich doch aus“, versuchte ich zu entgegnen.
„Du? Du bist doch nie anwesend. Und jetzt, wo du deine Reden hältst, da bist du noch weniger da“, sagt sie.
Ich antwortete lieber nicht. Im Stillen freute ich mich ja, wenn ich einen Redetermin hatte und Klara in der Zeit die Wohnung saugte, den Garten machte und ich danach den ‚Erschöpften‘ geben konnte.
„Zu jammern, das nützt uns jetzt auch nichts“, sagte Klara.
Sie hatte Recht und deshalb war ich auf der Suche nach einem neuen Zuhause, einer Wohnung, die viel kleiner, dafür aber trocken war.
Wir wollten in der Umgebung bleiben. Klar, am meisten zog es uns zurück in den Norden, nach Stralsund oder Sassnitz. Aber das war zu weit weg von unserem kleinen Krümel.
Wie konnten wir sie dann mal nachmittags abholen, mit ihr auf den Spielplatz gehen, um sie dann wieder zu ihrer Mutter zurückzubringen. Daraus wurde also nichts.
Außerdem hatte ich hier die Arbeit als Trauerredner. Eine Tätigkeit, die mir lag, die nicht leicht war, aber wo ich meine handwerklichen Fähigkeiten des Schreibens und Redens gut einsetzen konnte.
Inzwischen war ich bekannt, und ich wollte mein Netzwerk weiter ausbauen.
„Ich habe ein gutes Wohngebiet entdeckt. Dicht an der City von Bernau. Hier ist das Exposè, sagte ich zu Klara.
„Leg‘ es mal da bei mir auf den Schreibtisch“, antwortete sie.
Ich merkte ihr an, wie hin- und hergerissen sie war.
Wir wohnten nun schon 26 Jahre in unserem kleinen Häuschen, mit Carport, ebenerdigem Zugang zur Haustür, ohne Treppensteigen, wenn der Einkaufskorb in die Küche transportiert werden sollte – das alles würden wir nicht haben, oder das meiste dieser Annehmlichkeiten nicht mehr.
„Oma, ich ihr habt so eine schöne Wohnung“, rief Krümel oft, wenn sie sich blitzschnell die Treppenstufen hochhangelte. Sie flitzte zu gern zwischen den Etagen hin – und her.
„Opa, das Frühstück ist jetzt gleich fertig, und dann musst du sofort herunterkommen, sonst wird Oma böse. Kommst du, ja?‘
Ich brummte dann etwas und blieb trotzdem am Schreibtisch sitzen.
„Opa, du musst jetzt gleich mitkommen, ich geh‘ zuerst und du musst hinter mir herlaufen!“
Krümel war so emsig, so begeistert und füllte die ganze Wohnung mit ihrer Lebensenergie.
Wollten wir das alles aufgeben?
Mussten wir das wirklich?
„Ich habe eine Wohnung gefunden, die mir gefallen würde“, rief Klara, die das Exposè gerade durchsah. Laura, unsere Tochter war gerade zu Besuch und hatte gemeinsam mit Klara das Internet zusätzlich durchforstet.
Es war eine Dachgeschoßwohnung, knapp 100 qm, riesige Terrasse, komfortabel ausgestattet.
„Gut, ich rufe morgen gleich bei dem Bauträger an und frage, ob die Wohnung noch frei ist“, sagte ich.
Fortsetzung: ‚DIE WOHNUNGSBESICHTIGUNG‘ – Montag, 19.09.2022
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ALLTÄGLICHES-2022.06.02
Wir werden sterben. Das wissen wir. Den Gedanken daran schieben wir dennoch weg.
Der Kelch geht an uns vorbei, möglichst lange, so hoffen wir jedenfalls.
Diese Tatsache ist ja auch ziemlich brutal. Und gerade deshalb wollen wir es nicht so richtig glauben.
Der Augenblick, in dem diese unumstößliche Wahrheit aber dein Bewusstsein, dein Fühlen und Denken erreicht, kann auch etwas Positives bewirken, nämlich – dir das Wertvolle an deinem Alltag vor Augen zu führen, dich an den kleinsten Dingen zu freuen.
Vielleicht eine Blume, die du gerade siehst.
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SCHREIB-ALLTAG-22.04.07
DAS HANDWERK DES ERZÄHLENS AUS MEINER PERSPEKTIVE: Warum überhaupt den Stift zur Hand nehmen, die Tastatur des Computers quälen, Stunde um Stunde mit Sätzen und Worten ringen? Ist Schreiben eine Krankheit, weil du nicht aufhören kannst, oder ist sie auch so etwas wie Medizin? Techniken – Erfahrungen und Lücken; im Rhythmus bleiben – schreiben, lernen, üben, schreiben und wieder schreiben; Ergebnisse – Geschriebenes und Verworfenes; Emotionen- ‚himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt‘; von der Unvernunft, mehr von der Leidenschaft zu zehren als von den Einnahmen.
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ALLTÄGLICHES-22.03.23
„Ich habe es geschafft, lieber Alltag, ich konnte mich wieder aufraffen und eine halbe Stunde Nordic Walking machen“, sagte ich freudig und energiegeladen, nachdem ich frisch geduscht am Schreibtisch saß.
„Donnerwetter, dass du dich überwinden konntest, da staune ich. Wann bist du denn aufgestanden?“, fragte mich der Alltag.
„Kurz vor fünf Uhr. Danach habe ich mir die kleine Lampe über die Mütze gezogen – du weißt schon, damit ich wenigstens ein bisschen was sehe, ja und dann bin ich losgelaufen.“
„Wie, du bist, ohne dich umzuziehen, nur mit einer Lampe und den Stöcken losgelaufen?“
„Alltag, frag‘ doch nicht so blöd. Natürlich habe ich mich angezogen. Anschließend musste ich mich noch in die neuen Laufschuhe quälen.
Klara hatte mir welche gekauft.“
„Und, hast du dich gefreut?“
„Also, wenn ich ehrlich bin, dann muss ich ‚nein‘ sagen.
„Warum?“, fragte der Alltag erstaunt.
„Naja, erst einmal liebe ich meine ausgelatschten Schuhe, die oben leicht eingerissen sind. Aber genau darum kann ich ja besser in die Schuhe reinrutschen, weil sie schon so kaputt sind.“
„Und nun?“
„Jetzt musste ich mich mit dem Schuhanzieher quälen. Als ich die Schuhe endlich anhatte, da drückte eine Seite am linken Fuß. Aber ich war zu faul, sie aufzumachen und alles von vorn zu schnüren.“
„Hat dich der Schuh stark gedrückt?“
„Und wie!“
„Außerdem, lieber Alltag, hat Klara gleich zwei Paar Schuhe gekauft.“
„Das ist doch schön. Ich hoffe, du hast dich bedankt.“
„Ja, schon. Ich habe ihr aber auch gesagt, dass sie lieber ein paar Schuhe hätte kaufen sollen und dafür Bessere, so richtig gute.“
„Was hat Klara gesagt?“
„Das nächste Mal, da kaufst du dir deine dämlichen Schuhe alleine.“
„Und, machst du das?“
„Nö, ich hab‘ ja jetzt erst einmal welche, sogar zwei.“
BIBEL-2022.03.21
Spr 18, 7
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ALLTÄGLICHES-09.11.2021
Der Wald roch nach feuchtem Laub, Kiefern und frischer Erde. Ich stakte auf dem Weg mit den Nordic Walking-Stöcken in den weichen Boden und schaute auf das Farnkraut, das sich mehr und mehr dem Boden zuneigte.
Es sind die schönsten Augenblicke, wenn ich mich vom Schreibtisch hochgerafft und in die Sportsachen geschmissen habe.
Morgens, da ist es eine klare Sache. Du stehst auf, ziehst dich an und fährst wie selbstverständlich in das Fitness-Center.
Da ist der schwierigste Moment, dass du dich aufraffst, aufzustehen, wenn dich der Wecker genügend genervt hat. Ich wachte heute Morgen gegen 03.00 Uhr auf, ganz von allein.
Dann sah ich zur Uhr und mir fiel ein, dass ich noch weitere drei Stunden schlafen könnte, weil ich ja Klara gesagt hatte, dass ich am Montag nur laufen würde.
Also zögerte ich nicht lange, sondern schmiss mich wieder mit meinem ganzen Gewicht auf die Seite des Bettes, sodass Klara fragte, ob irgendetwas passiert sei. Ich brummte nur, mochte nicht sprechen.
Ein paar Stunden weiter, nach dem Schreiben und Anrufen, da war es so weit. Ich wollte los. Aber zuerst kamen die inneren Stimmen mit den Ausreden:
‚Musst du wirklich los, oder hast du nicht genügend zu tun, dass du gar keine Zeit für den Sport hast?‘
, Morgen fährst du wieder rein und dann machst du doch genügend Training, vorweg sogar eine halbe Stunde auf dem Laufband!‘
Aber ich blieb tapfer, zog mich um und fuhr einfach in Richtung Schorfheide los, hörte nicht auf meine inneren Stimmen, die nach Gründen für das Weglassen des Nordic Walkings suchten
Bin ich im Wald und laufe, dann freue ich mich, dass ich mich überwunden habe.
Du tauchst ein in die Natur, du atmest und riechst intensiver, du hörst auf ganz andere Geräusche als den Straßenlärm, von dem du dich immer weiter entfernst.
Und mit einem Mal bist du auch in einer anderen Art zu denken angekommen.
Es kommen Gedanken, die du ansonsten verdrängst, weil es viel zu hektisch ist am Arbeitsplatz, am Schreibtisch oder wo auch immer.
‚Wo siehst du den Sinn für dein Leben, warum ackerst du noch so, obwohl du doch aufhören könntest?‘
‚Warum ist es so wichtig, zu arbeiten, nicht nur irgendetwas zu genießen?‘
‚Wieso ist es eigentlich eine oberflächliche bedeutungsleere Bemerkung, wenn dir jemand sagt, dass du nun deinen Ruhestand genießen kannst?‘
‚Was ist, wenn du lieber bis zum Tod ein Spannungsfeld aufrechterhalten willst, dass aus Arbeit und dem Genießen besteht?‘
‚Warum ist es harte Arbeit, andere Menschen zu interviewen, das aufzuschreiben und wieso ist es auch ein großes Privileg, das zu tun?‘
‚Wie gehst du mit dem Gedanken an den Tod um und warum gehört er irgendwie mit zu deinem Leben, selbst wenn du es nicht wahrhaben willst?‘
Ich finde nicht auf alles eine Antwort, wenn ich so durch den Wald stampfte.
Aber die Tatsache, dass ich mich am Tag für einen kleinen Moment herausnehme, aus dem Alltagstrott des Denkens, des vielleicht nicht Zufriedenseins, die erdet mich, bringt mich zurück zu dem, was es eigentlich bedeutet, nach dem Sinn im Leben zu suchen, nämlich Freude und Kraft in dem Moment zu entwickeln, in dem du gerade lebst; nicht zu warten auf die großen Situationen des Glücks, die vielleicht nie eintreten.
Ich laufe gerade an einem Hochstand vorbei und sehe Krümel vor mir, die mir zuruft „Opa gib‘ mir ein bisschen Zeit, damit ich hier spielen kann, ja?“
Ich muss innerlich schmunzeln, laufe weiter und sehe in der Ferne das rote Dach meines Jeeps.
Auf der Rückfahrt höre ich eine CD von Roland Kaiser.
„Sie ließe sich so gerne fallen, doch im Hotel nebenan, da wartet schon ihr Ehemann…“
Ich summe mit. Manchmal ist es doch gut, sich fallenzulassen. Du musst es ja nicht gleich wörtlich nehmen.
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BIBEL-2021.10.17
„Wer Klugheit erwirbt, liebt sein Leben; und der Verständige findet Gutes.“ Sprüche, 19,8
Meine Sicht:
Das Leben annehmen, wie es ist und in ihm das Schöne sehen.
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