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MEIN FREUND, DER ALLTAG (4)
GUT, DASS ICH NICHT DAS GANZE WERKZEUG AUS DEM OSTEN WEGGESCHMISSEN HABE.
Gestern war ‚Großeinsatz‘, gleich zu Wochenbeginn. Wir sind morgens in den OBI-Baumarkt gefahren, Rentner eben.
Obwohl: Ich habe genug zu tun, meine Reden zu schreiben, sie aufzubereiten, inhaltlich zu erweitern.
Aber das zählt jetzt nicht. Es geht in diesem Moment um die Gardinenstangen, die angebracht werden müssen.
Ich drücke mich da seit dem Umzug drumherum. Als in der vergangenen Woche die Monteure den neuen Spiegelschrank im Bad anbrachten, da habe ich die Gelegenheit beim Schopfe gepackt und sie gefragt: „Bringen Sie eigentlich auch Gardinenstangen an?“
„Oh ja, das macht bei uns der Herbert. Herbert trinkt sehr gern Kaffee.“
„Na, Mensch, das würde ja passen“, hakte ich gleich nach.
„Das kommt überhaupt nicht in Frage“, sagte Klara, die hinter mir stand.
„Das macht mein Mann, der kann das.“
Das sagte sie sonst nie über mich, eher das Gegenteil.
Als wir wieder allein waren, da fragte ich sie, warum wir uns das antun wollten.
„Weißt du, wie teuer das ist?“, antwortete Klara empört.
„Ja, einen Kaffee für Herbert müssen wir zusätzlich ausgeben.“
„Du hast mir versprochen, dass du das machst“, sagte sie daraufhin zu mir.
Also blieb mir nichts weiter übrig, ich musste heute ran.
Wir hatten am 1. Mai schon das Werkzeug aus dem Keller geholt.
In der anderen Wohnung bin ich im Schlafanzug hinuntergegangen.
Hier musst du dich nun fein machen, in den Fahrstuhl steigen und zwei Treppen nach unten fahren.
Klara hatte sich die Lippen mit rotem Lippenstift nachgezogen. Es konnte ja sein, wir trafen auf Nachbarn im Haus.
„Du der Hund von nebenan, der reagiert auf Lippenstift sofort aggressiv“, sagte ich.
„Pass du auf, dass der dir nicht ein dickes Stück Fleisch aus deinem Hintern reißt“, antwortete Klara schlagfertig.
Wir holten das Werkzeug hoch, und ich bereitete die Schlagbohrmaschine vor.
Als ich oben auf der Leiter stand und die Maschine mit dem Bohrer ansetzte, da drehte die sich nicht lange. Irgendwas stimmte nicht. Der Bohrer war beim Anmachen sofort herausgeflogen.
Ich probierte es noch ein paar Mal und gab dann entnervt auf.
„Du unten, da liegt noch die Bohrmaschine, die wir noch zu DDR-Zeiten gekauft haben, vor der Wende also.“
„Stimmt“, sagte ich.
Ich stürmte noch einmal in den Keller, diesmal ohne Klara. Ich holte die Maschine aus dem Koffer, der ganz hinten eingeordnet war.
Oben zurück, da sprang sie sofort an. Jetzt fühlte ich mich wieder wohl. Ich hatte damit zu Ostzeiten die härtesten Platten durchbohrt.
Und es klappte immer noch. Wenn der Dübel wackelte, so steckte ich ein Streichholz mit in das Loch hinein, so wie früher eben.
Jetzt war ich in meinem Element und ich fing an, Klara gut strukturierte Anweisungen von oben auf der Leiter nach unten zu geben: „Bleistift, Schraubenzieher, jetzt die Bohrmaschine.“
„Ich bin hier nicht deine Befehlsempfängerin“, sagte sie zu mir.
„Du, auf dem Flugzeugträger kann auch nur einer sagen, wo es lang geht.“
„Du guckst zu viele Filme, aber hier bist du nicht der Chef, sondern ich“, sagte Klara.
Sie hatte recht, denn sie beschrieb lediglich die Wirklichkeit.
Ich beschloss, nicht darauf zu reagieren.
„Kannst du mal bitte den Sauger näher an das Bohrloch führen?“, raspelte ich von der Leiter zu ihr herunter.
„Das klingt schon ganz anders“, sagte sie zu mir.
Ich bohrte weiter und war glücklich, dass ich mal wieder ein Stück guter alter Technik in der Hand halten konnte.
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