BIBEL-22.04.04
Tod und Leben stehen in der Zunge Gewalt; wer sie liebt, wird ihre Frucht essen.
Spr 18,21
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Über Menschen erzählen – über ihren Alltag, ihre Geschichten, Träume, darüber, was sie beflügelt.
BIBEL-22.04.04
Spr 18,21
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ALLTÄGLICHES-22.04.03
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JEEPYS FAHRER WEISS MAL WIEDER ALLES BESSER, DENKT ER JEDENFALLS
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THURE-22.04.01
Thure Hansen saß auf den Schienen, mitten auf einer freien Zugstrecke. Er war an Händen und Füssen mit Eisenketten an die Gleise gefesselt und konnte sich kaum bewegen.
Es regnete und es schien, als würden sich Bäche von herabstürzendem Wasser auf ihm ergießen.
Aus der Ferne ertöntes ein schrilles Signal, das Thure zusätzlich erschaudern ließ.
Die Lichtkegel der herannahenden Lokomotive stachen durch die Dunkelheit hindurch und nahmen eine gespenstische Größe an, je näher sie kamen.
„Hilfe, bitte helft mir“, schrie Thure. Aber niemand hörte ihn.
Und so kam, was kommen musste. Der Zug kam näher und Thure fügte sich in sein unausweichliches Schicksal.
Als die Waggons mit unbarmherziger Härte heranratterten, da bewegten sich hinter ihm die Weichen mit einem knackenden und quietschenden Geräusch und schoben den herandonnernden Zug auf die parallel verlaufenden Gleise.
Die Waggons schossen an Thure mit einem ohrenbetäubenden Lärm vorbei, wie von einer unsichtbaren Kraft geleitet.
Thure spürte plötzlich eine Hand, die auf ihm lag.
„Warum schreist du so?“, fragte Maria ihn, nachdem er schweißgebadet aufgewacht war.
„Ach nichts!“, murmelte Thure.
„Die Drogenmafia hat mich auf den Gleisen angekettet. Es gab kein Entrinnen.“
„Du guckst zu viele brutale Filme“, sagte Maria zu ihm, drehte sich um und versuchte weiterzuschlafen.
Thure war froh, dass seine Frau ihn aus diesem Albtraum erlöst hatte.
Er stand auf und schlurfte ins Bad, um sein Gesicht ein wenig zu benetzen.
Obwohl es erst kurz nach drei Uhr war, wollte er aufbleiben.
Bei Thure, im Grunde genommen froh, dem vermeintlichen Unglück entronnen zu sein, stellte sich dennoch keine wirkliche Freude ein.
Ihm kam der Krieg in der Ukraine wieder ins Bewusstsein.
War die Realität etwa noch schlimmer als das, was er gerade geträumt hatte?
Er versuchte an etwas Schönes zu denken.
Gestern hatte er mit Emma, seiner vierjährigen Enkelin auf dem Sofa gesessen und sie hatten Angeln gespielt.
Thure sollte für Emma mit der Angel eine Krone aus dem Wasser fischen, die sie dort verloren hatte.
„Opa, du musst an der Kurbel drehen“, rief Emma. Sie war mit Energie und Phantasie bei dem Spiel.
‚Was für ein glücklicher Moment‘, dachte Thure.
Er hatte für die Kleine einen Strand aus Worten gemalt, mitten auf seiner Lieblingsinsel Rügen, und sie tauchten die Angel in das Wasser, um die Krone zu finden und vielleicht sogar eine Kiste mit Gold.
„Oh, das wird ja immer schwerer. Schau mal, wie sich die Angelschnur biegt. Hoffentlich reißt sie nicht“, schnaufte Thure.
„Mach schnell, Opa!“
Emma hielt es nicht mehr auf der Couch. Sie kroch vom Sitz herunter und kletterte auf die Seitenwand, um sich nach vorn zu beugen, so, als würde sie an der Angelschnur mitziehen können.
„Ach du lieber Gott“, fluchte Thure.
„Es ist ein alter, dreckiger und stinkender Teppich. Wer hat denn den da reingeschmissen?“
Thure spielte seine Enttäuschung so echt, dass Emma in glucksendes Lachen ausbrach.
Ihre Zähne blitzen, ihre Augen funkelten und sie klatschte vor Begeisterung in die Hände.
„Los Opa, noch mal“, feuerte sie Thure an, der die vermeintliche Angel in der Hand drehte und mit noch größerem Schwung und unter großem Beifall von Emma wieder in das Wasser warf.
„So Emma, wir müssen nach Hause fahren“, sagte Emmas Mama, die unbemerkt ins Wohnzimmer gekommen war.
„Ich bleib’ bei Opa. Wir müssen noch die Krone finden“, sagte Emma und spornte Thure an.
„Machen wir weiter, Opa.“
Thure musste nun schmunzeln, als er sich an die schönen Momente mit Emma erinnerte und gleich wieder traurig wurde. Es könnte alles so schön sein. Wäre da nur nicht dieser furchtbare Gedanke an den Krieg in der Ukraine.
Schon ein wenig munterer befeuchtete Thure weiter seine Lippen und die Augen mit ein paar Spritzern Wassern.
‚Warum stand er so früh auf, war es etwa senile Bettflucht?‘, schoss es ihm durch den Kopf, als er sein zerknittertes Gesicht im Spiegel betrachtete.
Nein, das war es wohl nicht. Er fühlte sich von etwas Unsichtbarem getrieben, etwas, das ihn sein ganzes Leben in Trab gehalten hatte – der ungläubige Wille, noch etwas Sinnvolles zu schaffen.
„Ich muss um vier Uhr aufstehen, sonst schaffe ich mein Pensum nicht“, sagte er zu seiner Frau, die nur die Augen verdrehte.
„Du bist Rentner“, versuchte sie ihn auf den Boden der Tatsachen zu holen, aber davon wollte Thure nichts wissen, und so prallten die Worte an ihm ab.
Thure machte Sport. Fast jeden Tag lief er früh durchs Dorf, genau dann, wenn die anderen Bewohner noch schliefen und nicht sehen konnten, wenn er seine Stöcke in den Boden rammte und dabei schnaufte, als würde er eine Lokomotive hinter sich her schleifen.
Morgens war es für ihn am schönsten. Er konnte in die Wiesen schauen, auf denen noch der Nebel lag und nur langsam aufstieg, und er lief an den Häusern vorbei, in denen nur selten bereits Licht brannte.
Thure liebte sein Dorf und manchmal hasste er es auch, obwohl er nun schon fast dreißig Jahre dort wohnte.
Es war so ein Gefühl, dass er nicht wirklich dazugehörte, sich woanders hinsehnte, nach Schwerin zum Beispiel oder nach Rügen, seine geliebte Insel.
Aber nun war er in Brandenburg, wurde dort wahrscheinlich begraben und die Dorfbewohner würden auf der Beerdigungsfeier wahrscheinlich sagen, dass er eigentlich gar nicht von hier war, ein Fremder eben.
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JEEPY-22.03.31
JEEPYS FAHRER WEISS MAL WIEDER ALLES BESSER, DENKT ER JEDENFALLS
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ALLTÄGLICHES-22.03.30
Ich habe ein paar Tage mit dem Laufen ausgesetzt.
Am Montag, ja da wollte ich wieder anfangen, aber ich hatte abends zu lange vor dem Fernseher gesessen, eigentlich schon gelegen – vor dem kleineren Apparat, auf der Ersatzbank eben, im Schlafzimmer.
Also hatte ich keine Lust, am nächsten Tag gegen vier Uhr aufzustehen und loszulaufen.
Aber am Dienstag, ja da war ich bereit für den Start in das dunkle Dickicht am Liepnitzsee.
Als ich auf dem Parkplatz angekommen war, konnte ich kaum etwas erkennen.
Ich stülpte mir die Lampe fürs Laufen über den Kopf, schnallte meine Stöcke um und lief todesmutig los. In der Ferne schrie ununterbrochen eine Eule.
Oder war das vielleicht doch ein ‚verkappter Wolf’?
Naja, wer weiß das schon, morgens im dunklen Wald. Wenn es rings herum um dich duster ist und du den Lichtkegel auf den Boden richtest, damit du nicht über eine Wurzel stolperst.
Dann kriegst du schon mal Angst. Ich jedenfalls war auf alles gefasst.
Aber würden die Wölfe sich einen fetten Happen, wie ich einer war, entgehen lassen?
Ich musste der Wahrheit ins Auge blicken- höchstwahrscheinlich nicht.
Im Ernstfall hatte ich ja meine Stöcke.
Außerdem kannte ich bis jetzt Wölfe nur aus dem Wildpark Schorfheide.
‚Wieso also sollten sie gerade hier auftauchen?‘, versuchte ich mich zu beruhigen.
Ich lief weiter und versuchte die durchdringenden ‚Uhu-Schreie‘ zu ignorieren.
Der Wind strich durch das dürre Geäst der Bäume, das zu beängstigend knarrte.
Ein Stück weiter lag ein Baum vor mir, mitten auf dem Weg.
‚Wieso liegt der hier? Und war ich von der Strecke abgekommen?‘
Vorsichtshalber lief ich ein paar Meter zurück.
Hier irgendwo musste doch das Loch sein, in das ich regelmäßig hineinstolperte und mir fast schon den Knöchel gebrochen hatte.
Dieses Loch war für mich schon vor Jahren ein Fluch. Als ich es jetzt tastend wiederfand und einen der Nordic-Walking-Stöcke hineinstoßen konnte, da erfasste mich so etwas wie ein verhaltenes Glücksgefühl. Ich war nicht vom Weg abgekommen.
Ich suchte eine Möglichkeit, durch das Gestrüpp hindurchzukommen, um den Baumstamm zu umgehen.
Ansonsten hätte ich beim Klettern die Stöcke abschnallen müssen, weil der Stamm zu hoch lag.
Ein Zweig peitschte mir ins Gesicht. Ich hatte ihn nicht auf mich zukommen sehen. Ich war zu sehr damit beschäftigt, den riesigen Baum zu betrachten, der einfach nur so umgeknickt war. In der Mitte schien er durchgebrochen zu sein.
Die Enden hingen noch aneinander, so wie ein Streichholz, das man knickte, aber nicht glatt durchgebrochen bekam.
Ein riesiger Wurzelverbund hing am Ende des Baumes in der Luft, bedeckt von Erde.
‚Was, wenn der Baum gerade dann umgeknickt wäre, wenn ich an der Stelle hätte vorbeilaufen wollen?‘
Umgestürzte Bäume, die Schreckensschreie des Uhus, das Knarren der Bäume – dieser Wald wurde mir unheimlich, zumal ich lediglich seine Umrisse erkennen konnte.
Das Band der Lampe schnürte mir den Kopf zusammen. Ich hatte es wohl etwas zu eng gestellt.
Dann kam der nächste Baum und dann noch einer.
„Wieso waren die alle umgestürzt?“
Ich hasste es, wenn nicht alles an seinem Platz war. Wieder musste ich durch das Gebüsch hindurch, auf Wurzeln treten und Zweige aus dem Gesicht nehmen.
Ich blieb stehen und schaute auf die Uhr. Das war nicht so einfach. Ich hatte noch Handschuhe an, damit die Riemen von den Stöcken nicht so auf den Händen scheuerten.
Ich hob den rechten Stock an, der nun in der Luft hing und versuchte gleichzeitig mit der vom Handschuh eingesperrten Hand die beiden dicken Pulloverenden vorn am Arm zurückzuziehen.
Als ich das geschafft hatte, sah ich nichts und musste den Lichtkegel auf das Ziffernblatt lenken.
„Wie viel Helden gab es eigentlich in der Republik, die kurz nach fünf Uhr Hindernislauf im Wald übten?“, fragte ich mich.
„Nur einen, und zwar dich. Aber du bist kein Held, sondern irgendwie nicht richtig verdrahtet“, würde Klara sagen.
Ich lief weiter und stoppte. War ich noch auf der richtigen Strecke? Wieso führte der Weg jetzt eigentlich in eine Senke?
Und wann wurde es endlich etwas heller?
Ich fluchte auf die Sommerzeit.
Ich lief immer tiefer in einen Waldweg hinein, der mir zunehmend unheimlich wurde.
Plötzlich stand ich auf dem asphaltierten Weg, der direkt zum See hinunterführte.
Jetzt war es klar: Ich hatte mich völlig verlaufen.
Sollte ich zurückgehen, wieder über die vielen Wurzeln stolpern oder auf dem sicheren Weg weiterlaufen und dafür den harten Asphalt in Kauf nehmen?
Ich mochte es nicht, auf diesen befestigten Wegen zu laufen. Und meine Knie schon überhaupt nicht.
Ich bewunderte die Schauspieler in den amerikanischen Filmen, die morgens durch New York joggten, einen Stöpsel im Ohr hatten, an den zur Arbeit hastenden Menschen vorbeiliefen, stets locker und leichtfüßig in der Bewegung.
Anschließend sah man diese Protagonisten meist in einer durchgestylten Küche stehen und sich einen Saft zusammenmixen, mit der neuesten Maschine natürlich.
Damit konnte ich mich nicht messen. Ich stampfte durch den Wald, schnaufte, tastete die Gegend nach bekannten Merkmalen ab und hörte auf mögliche herannahende heulende Wölfe.
Nach einer Stunde hatte ich das Auto wieder auf dem Parkplatz erreicht.
Ich schnallte die Stöcke ab und versuchte die Handschuhe abzustreifen. Die Befestigung für den rechten Walking-Stock rutschte dabei aus der Halterung. Ich blieb stehen und fummelte es an Ort und Stelle wieder ein.
Auf der Rückfahrt bedrängten mich zur Arbeit rasende Autos mit ihren schlecht gelaunten Fahrern am Steuer, während ich den morgendlichen Walking-Tripp wenigstens ruhig ausklingen lassen wollte.
Zuhause angekommen, stieg ich aus dem Auto, setzte mich auf die Bank und hörte den Vögeln zu, die in Scharen in den Bäumen Krach machten.
Ich überlegte, ob ich Krümel per Audio erzählen sollte, dass ich gerade ‚Piepeva‘, den kleinen Spatz, gesehen hatte.
Ich griff zum Handy und macht die App für die Sprachmemos an.
‚Nein Opa, Piepeva ist doch bei mir‘, wird Krümel wahrscheinlich sagen, wenn ihre Mama es ihr später vorspielt.
Jetzt war ich glücklich.
Und Morgen? Ja, da würde alles wieder von vorn beginnen. Ich kannte jetzt wenigstens schon die drei dicken Baumstämme, die auf dem Laufweg herumlungerten.
ALLTÄGLICHES-2022.03.30
Man muss nicht alles mögen und teilen, was Friedrich Nietzsche gesagt und geschrieben hat. Seine Ideen zu lesen und zu kennen allerdings schärft deinen Blick für den Alltag, bringt dich zum Nachdenken über eigene Positionen, Einstellungen und Handlungen. Und das allein ist schon ein Wert an sich.
„Man muss ein gutes Gedächtnis haben, um gegebene Versprechen halten zu können.
Man muss eine starke Kraft der Einbindung haben, um Mitleid haben zu können. So eng ist die Moral an die Güte des Intellekts gebunden.“ (1)
(1) Friedrich Nietzsche, Gesammelte Werke, Anaconda Verlag GmbH Köln, ISBN 978-3-86 647-755-1, S.162, (59)
IANA-22.03.29
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BIBEL-22.03.28
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ALLTÄGLICHES-22.03.26
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SCHREIB-ALLTAG-22.03.24
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ALLTÄGLICHES-22.03.23
„Ich habe es geschafft, lieber Alltag, ich konnte mich wieder aufraffen und eine halbe Stunde Nordic Walking machen“, sagte ich freudig und energiegeladen, nachdem ich frisch geduscht am Schreibtisch saß.
„Donnerwetter, dass du dich überwinden konntest, da staune ich. Wann bist du denn aufgestanden?“, fragte mich der Alltag.
„Kurz vor fünf Uhr. Danach habe ich mir die kleine Lampe über die Mütze gezogen – du weißt schon, damit ich wenigstens ein bisschen was sehe, ja und dann bin ich losgelaufen.“
„Wie, du bist, ohne dich umzuziehen, nur mit einer Lampe und den Stöcken losgelaufen?“
„Alltag, frag‘ doch nicht so blöd. Natürlich habe ich mich angezogen. Anschließend musste ich mich noch in die neuen Laufschuhe quälen.
Klara hatte mir welche gekauft.“
„Und, hast du dich gefreut?“
„Also, wenn ich ehrlich bin, dann muss ich ‚nein‘ sagen.
„Warum?“, fragte der Alltag erstaunt.
„Naja, erst einmal liebe ich meine ausgelatschten Schuhe, die oben leicht eingerissen sind. Aber genau darum kann ich ja besser in die Schuhe reinrutschen, weil sie schon so kaputt sind.“
„Und nun?“
„Jetzt musste ich mich mit dem Schuhanzieher quälen. Als ich die Schuhe endlich anhatte, da drückte eine Seite am linken Fuß. Aber ich war zu faul, sie aufzumachen und alles von vorn zu schnüren.“
„Hat dich der Schuh stark gedrückt?“
„Und wie!“
„Außerdem, lieber Alltag, hat Klara gleich zwei Paar Schuhe gekauft.“
„Das ist doch schön. Ich hoffe, du hast dich bedankt.“
„Ja, schon. Ich habe ihr aber auch gesagt, dass sie lieber ein paar Schuhe hätte kaufen sollen und dafür Bessere, so richtig gute.“
„Was hat Klara gesagt?“
„Das nächste Mal, da kaufst du dir deine dämlichen Schuhe alleine.“
„Und, machst du das?“
„Nö, ich hab‘ ja jetzt erst einmal welche, sogar zwei.“
BIBEL-2022.03.21
Spr 18, 7
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ALLTÄGLICHES-22.03.19
ALLTÄGLICHES-2022.03.17
„Guten Morgen, Alltag, heute melde ich mich mal bei dir zuerst und erzähle, wie es in Buch gelaufen ist.“
„Warum denkst du, dass es mich interessieren könnte, was du dort erlebt hast?“, fragte mich der Alltag.
„Naja, weil es Stück von dir ist, vom Alltag eben – nichts Sensationelles, Aufregendes, eher Alltägliches“, antwortete ich.
„Gut, dann erzähl mal“, sagte der Alltag. Er schien wirklich nicht sonderlich interessiert zu sein.
Und trotzdem: Ich begann, ihm meine Beobachtungen und Erlebnisse zu erzählen.
Ich nannte meinen Erlebnisbericht den
‚AUSFLUG INS KLINIKUM NACH BUCH‘
Ich hasste diesen Tag. Ich musste nach Buch fahren, um ein Belastungs-EKG zu absolvieren. Lieber würde ich am Schreibtisch sitzen. Selbst die Korrektur einer Augenoptik-Broschüre kam mir in diesem Augenblick als etwas sehr Erstrebenswertes vor, wenn ich mich dadurch vor dem Untersuchungstermin drücken konnte.
Ich kam in Buch an und fuhr problemlos ins Parkhaus.
Ich nahm die schwarze Tasche aus dem Auto und strebte dem Ausgang zu.
Das Parkhaus hatte einen Fahrstuhl.
Obwohl ich auf der zweiten Parkebene war, wollte ich nicht die Treppen laufen.
Warum sollte ich laufen, wenn ich bequem runterfahren konnte?
Der Fahrstuhl kam schnell, die Tür ging auf und ich begab mich ins Innere.
Obwohl das Parkhaus noch nicht einmal drei Jahre alt war, alles noch neu schien, machte der Fahrstuhl einen sehr dreckigen Eindruck. Der Spiegel war an mehreren Stellen mit spitzen Gegenständen bearbeitet worden.
An die Wände war weiße Farbe geschmiert worden. Auf dem Fussboden lag verkohltes Papier und unter meinen Füssen knirschte das Glas einer zertrümmerten Bierflasche.
Ich war froh, als ich unten angekommen war.
Ich musste über einen weiteren grossen Parkplatz laufen, um zum Hauptgebäude zu gelangen. Der Wind blies mir ins Gesicht und ich machte im Gehen den Mantel zu.
Als ich vor der Drehtür des Klinikums am Eingang stand, da wartete ich, bis die offene Seite der Tür bei mir angekommen war. Ich ließ noch einer Frau, die hinter mir lief, den Vortritt.
Sie dankte es mir, indem sie betont langsam reinging. Ich wäre danach fast nicht mehr reingekommen.
Ich hatte allerdings bereits einen Schritt in das Rondell gemacht, war quasi mit einem Bein im ‚Boot‘ und mit dem anderen noch auf dem ‚Steg‘.
Das Dilemma: Die Frau vor mir ging nun gar nicht mehr weiter und sagte stattdessen mürrisch: „Wir kommen alle an!“
‚Da wolltest du mal ein Gentleman sein und schon geht es schief‘, dachte ich bei mir.
„Wenn Sie weiter stehenbleiben, während sich die Drehtür bewegt, dann werden wir einfach nur kurz ins Foyer geschleift und dann wahrscheinlich wieder in Richtung Ausgang zurückgedrückt“, sagte ich leicht genervt zu ihr.
Ich wollte mich nicht aufregen und nun tat ich es doch. Aber irgendwann stand ich dann doch im Eingangsbereich des Klinikums.
Und schließlich saß ich in der Empfangshalle zur Kardiologie und wartete, bis meine Nummer aufgerufen wurde.
An der Leuchttafel erschien die 102. Auf meinem Ticket stand die Zahl 106.
Es konnte also nicht mehr so lange dauern. Ich schaute mich um.
Der Raum, in dem ich sass, war hell.
Das Dach war gewölbt und aus Glas, durch das die Sonne gleisste.
Ob es hier im Sommer warm wurde und man es dann nicht aushalten konnte?
Ich wollte es nicht ausprobieren, aber ich fürchtete, dass ich nicht das letzte Mal zur Untersuchung im Klinikum war.
Die Schwester am Tresen war freundlich.
„Gehen Sie einfach geradeaus, nehmen Sie Platz, Sie werden aufgerufen“, sagte sie zu mir.
‚Ergometrie‘ stand an der Tür auf einem Schild, vor dem ich wartete.
Ich war irgendwie froh, dass ich meine Beschäftigung hatte. Ich saß auf einem Holzstuhl und schrieb auf meinem iPhone.
Besser, ich tippte mit meinen beiden Daumen auf die Buchstaben der Tastatur und wenn ich Glück hatte, dann traf ich den richtigen von ihnen.
Meine Daumen waren zu dick, sodass ich manchmal den Buchstaben rechts oder links erwischte und nicht den, den ich eigentlich treffen wollte.
Aber ich hatte mich schon recht gut eingefuchst
Ich tippte lediglich mit den Spitzen der Daumen auf die Zeichen und so blieb die Fehlerquote niedrig.
Ich hatte meine Tasche neben mir abgestellt, die Beine weit ausgestreckt und unten die Füsse übereinander gelegt. Auf meinem Bauch lag die schmale Seite des Handys, sodass ich das Gewicht des Handys nicht wo spürte und ich eine stabile Position beim Schreiben innehatte.
Die Tür zur Praxis ging auf und im Türrahmen stand eine Schwester, die mir Angst einflösste.
„Herr Müller“, hörte ich meinen Namen von ihr rufen. Ich blickte mich um, vielleicht war ja noch ein zweiter Müller im Warteraum, so unwahrscheinlich war das ja nicht, bei meinem Nachnamen. Aber es rührte sich keiner von denen, die auf den weiteren Stühlen Platz genommen hatten.
Alle waren wohl mit sich beschäftigt und warteten nur darauf, dass ihr Name aufgerufen wurde.
Ich ging in das Zimmer.
„Guten Tag“, sagte ich freundlich und mit einem beklemmenden Gefühl in der Brust.
„Sie können dort ihre Sachen hinlegen“, sagte die Schwester, ohne meinen Gruß zu erwidern.
Ich machte den Oberkörper frei, bis auf ein T-Shirt, dass ich extra unter den Pullover gezogen hatte, um nicht nackt dazustehen.
„Das Hemd müssen Sie auch ausziehen“, schnarrte die Schwester im Befehlston.
Ich war nicht begeistert. Mein Plan war nicht aufgegangen und abgenommen hatte ich auch nicht genügend.
„Sie haben ja täglich das Grauen vor Augen“, versuchte ich zu scherzen.
„Dann können Sie nicht in einem medizinischen Beruf arbeiten“, sagte sie, ohne sich umzudrehen.
Ich stand mit nacktem Oberkörper vor ihr und fühlte mich, als würde ich gleich auf den elektrischen Stuhl geführt werden.
„Setzen Sie sich auf das Fahrrad“, sagte sie.
Ich versuchte das Bein über die Stange in der Mitte zu heben und suchte nach einer Möglichkeit, mich abzustützen.
„Nicht auf das Messgerät fassen“, sagte die Schwester im belehrenden Ton.
„Ich bin nicht senil“, knurrte ich zurück.
Ich merkte, wie so langsam kalte Wut in mir aufstieg.
Die nächsten Minuten verliefen schweigend. Die Schwester schloss mich an eine Reihe von Drähten an.
„Jetzt fangen Sie an, in die Pedalen zu treten und alle zwei Minuten werde ich die Belastung steigern.“
Ich nickte und begann meine Beine zu bewegen, immer im Kreis und ohne, dass ich vorwärtskam.
Obwohl ich die Schutzmaske aufbehalten musste, lief es besser, als ich es selbst erwartet hätte.
„Das sieht ja gar nicht so schlecht aus“, sagte die Schwester nachdem ich aufgehört hatte.
„Muss ich sterben?“, fragte ich.
„Ja, aber nicht sofort“, antwortete sie trocken.
Ich hatte irgendwie den Eindruck, dass sie lockerer wurde.
„Sie haben promoviert?“, fragte sie nun.
„Ja, sagte ich“, aber das ist nicht mehr wichtig“, antwortete ich.
„Was ist Ihnen wichtig?“, fragte sie mich.
„Dem Alltag ein bisschen Freude abgewinnen.“
„Das ist leichter gesagt, als sie es hier umsetzen können“, sagte die Schwester.
Ich staunte, dass sie sich überhaupt auf einen Dialog mit mir einließ.
„Wissen Sie, Sie werden ja nicht den ganzen Tag vor Glück umherspringen müssen, aber Sie hätten schon Grund, um ein wenig glücklich zu sein.“
„Wie soll das gehen?“, fragte sie mich misstrauisch.
Ich hätte jetzt antworten können, dass ich nicht ihr Seelentröster bin, kein Coach und auch nicht ihr Clown, der für ihre gute Laune zu sorgen hatte.
Laut sagte ich etwas Anderes:
„Sie haben einen tollen Beruf. Sie helfen Menschen. Und ganz wichtig: Sie können mit den Patienten kommunizieren, Sie ermuntern, einfach für sie da sein.“
„Hm“, sagte sie und schaute mich ungläubig an.
„Es kostet ein wenig Kraft und Überwindung. Doch wenn Sie es schaffen, am Tag auch nur eine Sache gut zu finden, dann haben Sie gewonnen.
Sie schauen aus einem Fenster in einen Park hinein, sie arbeiten ganz allein in diesem Zimmer, sind sozusagen der ‚Kapitän‘ auf Ihrem Boot und sie lernen die unterschiedlichsten Menschen kennen“, schob ich noch hinterher.“
Jetzt war ein flüchtiges Lächeln auf Ihrem Gesicht zu sehen.
„Ich wünsche Ihnen noch einen wirklich schönen Tag“, sagte sie zu mir, als ich aus dem Zimmer ging.
‚Das hast du aber gut hingekriegt‘, flüsterte der Alltag mir ins Ohr.
‚Ich hab‘ dich auch lieb‘, brummte ich.
ALLTÄGLICHES-2022.03.16
„Guten Morgen, mein Freund“, riss mich der Alltag aus meinen Gedanken.
„Hm.“
„Schlecht gelaunt?“
„Nein, nur keine Lust zu sprechen, Alltag.“
„Das Wetter ist schön, der Tag beginnt herrlich und du bist schlecht gelaunt?“
„Alltag, du kannst nerven!“
„Warum?“
„Weil ich aufwache und denke: ‚Warum kannst du dich nicht freuen?“
„Und warum kannst du dich nicht freuen?“
„Alltag, du lässt aber auch nicht locker.“
„Warum auch?“, blieb mir der Alltag auf den Fersen.
„Also gut, weil ich gleich wieder an den Krieg in der Ukraine denken musste. Aber ich habe ja versucht, mich abzulenken.“
„Und, wie hast du das gemacht?“
„Ich habe an meinen Termin heute in Buch gedacht.“
„Wie ging es dir bei diesem Gedanken?“
„Noch schlechter.“
„Warum?“
„Weil ich im Klinikum aufs Fahrrad steige, verdrahtet werde und strampeln muss.“
„Was ist schlimm daran?“, fragte der Alltag verwundert.
„Naja, weil ich wieder ein Kilo zugenommen habe.“
„Aber das ist doch nicht so schlimm“, versuchte der Alltag mich zu beruhigen.
„Doch, ist es. Vor allem schmeißt mein schlechtes Gewissen in solchen Situationen Sätze raus, wie:
‚Eigentlich treibe ich viel Sport, aber gegenwärtig haben mich die Ereignisse in der Ukraine aus der Bahn geworfen.“
Der Alltag wartete mit seiner Antwort, was schon nichts Gutes bedeutete.
Schließlich räusperte er sich und sagte mit leicht ironischer Stimme:
„Weißt du, wenn du schon den Satz mit ‚eigentlich‘ beginnst, dann hast du bereits zweimal gelogen.“
„Alltag, ich verbitte mir diese Unterstellung!“
„Oh, wir werden vornehm und unser Gewissen sendet Bestätigungssignale und deshalb werden wir leicht bockig“, amüsierte sich der Alltag.
„Nein, Alltag, aber ich war doch ehrlich zu dir.“
„Warst du nicht!“
„Wieso?“
„Als du ‚eigentlich‘ sagtest, da meintest du tatsächlich: ‚Mist, ich wollte doch schon länger wieder mit dem Sport angefangen haben, aber es kam was dazwischen.“
„Hm, da ist was dran, Alltag. Und die zweite Lüge?“
Die tischt du der Krankenschwester auf, die dich vor deinem ‚Fahrrad-Trip‘ verdrahtet.
Sie wird dich anschauen, nichts sagen und du denkst: ‚Oh Gott, was die wohl denkt?
‚Ist der dick‘ oder so ähnlich.
Und du wirst vorauseilend haspeln: ‚In letzter Zeit hapert es mit dem Sport und dem Abnehmen, aber bald, ja bald geht es wieder los.“
„Meinst du wirklich? Und was glaubst du, Alltag, was die Krankenschwester darauf sagt?“
Sie wird wahrscheinlich lächeln und das denken, was sie immer in solchen Momenten denkt.“
„Sag‘ schon, Alltag, was denkt sie in solchen Momenten?“
„Sie denkt: ‚Ja, mein Dicker, das alles haben wir vor dir schon von vielen Patienten gehört und nach dir werden noch viele Schwätzer kommen, die das gleiche sagen.“
„Meinst du wirklich? Alltag, was soll ich machen?“, fragte ich verzweifelt.
„Halt einfach deine Klappe, trete stattdessen in die Pedalen, stöhne nicht, jammere nicht, sei einfach ein Alltagsheld!“
„Ein Held, auch noch dein Held, Alltag?“
„Ja, nimm‘ den Tag wie er ist, versuch‘, dich an etwas zu erfreuen.“
„Na gut, Alltag, ich sehe schon, du lässt mich mal wieder allein mit meinen Ängsten.
Ich geh‘ mal rüber und wecke Klara. Ich finde, die könnte jetzt mal aufstehen und Frühstück machen.“
„Der lernt es nicht mehr“, seufzte der Alltag.
„Hast du was gesagt?“
„Nö.“
ALLTÄGLICHES-2022.03.15
Man muss nicht alles mögen und teilen, was Friedrich Nietzsche gesagt und geschrieben hat. Seine Ideen zu lesen und zu kennen allerdings schärft deinen Blick für den Alltag, bringt dich zum Nachdenken über eigene Positionen, Einstellungen und Handlungen. Und das allein ist schon ein Wert an sich.
(1) Friedrich Nietzsche, Gesammelte Werke, Anaconda Verlag GmbH Köln, ISBN 978-3-86 647-755-1, S.S.156,(48)
ALLTÄGLICHES-22.03.14
SALOMOS SPRÜCHE – 19,8
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ALLTÄGLICHES-22.03.12
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ANNA-2022.03.11
Was bisher war:
Schwester Beate hatte sich noch nicht entschieden, was die Leitung der Tagespflege anbetraf.
Sie konnte sich allerdings immer mehr mit diesem Gedanken anfreunden.
Anna musste für kurze Zeit ins Krankenhaus, weil sie an einer Unterzuckerung litt.
Anna verwechselte Herbert mit Wilhelm Sturm, ihrem verstorbenen Mann.
Als sie wieder aus dem Krankenhaus entlassen worden war, telefonierte sie mit ihrer Tochter und sagte, dass es ihr gut ginge. Sie hatte schon wieder vergessen, dass sie überhaupt ins Krankenhaus eingeliefert worden war.
Anna saß noch immer auf ihrem Lieblingsplatz in der Küche und beobachtete weiter, was um sie herum vor sich ging.
Sie fühlte sich wohl, erzählte mit Herbert, der gerade an den Tisch gekommen war.
Sie war in ihrem neuen Zuhause angekommen und hatte längst vergessen, dass sie mal eine eigene Wohnung über 60 Jahre bewohnt hatte.
„Du, Mutti spricht gar nicht mehr von ihrem ehemaligen Zuhause, davon, wie schön der Ausblick auf den Stralsunder Hafen war“, sagte Klara zu Peter, als dieser sie nach dem letzten Telefonat mit Anna fragte.
„Wie hast du sie denn erlebt, als ihr miteinander gesprochen habt?“, bohrte Peter weiter.
„Sie klingt fröhlich, fühlt sich umsorgt und spricht vor allem über ihre Kindheit, über Oma Heide“, antwortete Klara.
Sie wusste selbst nicht, wie sie es deuten sollte. Einerseits war sie froh, dass Anna nicht nach ihrer Wohnung fragte, andererseits war sie aber auch traurig, weil es ein sicheres Zeichen dafür war, wie die Demenz weiter fortschritt.
Als Lukas Anna besuchte und er von da aus gemeinsam mit ihr bei Klara anrief, da erzählte Anna Klara, dass sie mit Lukas im Garten am Kaffeetisch sitzen würde.
Klara versuchte das Positive daraus zu entnehmen, die Tatsache, dass Anna versorgt war und sich um nichts mehr kümmern musste.
Schwester Beate war inzwischen bei Ulrike gewesen.
„Ich werde die Tagespflege übernehmen und freue mich auf diesen Job“, sagte sie zu Ulrike.
„Wunderbar!“, antwortete Ulrike hocherfreut.
Sie wusste, dass Beate alles für ihre Tagesgäste tun würde.
„Wir sprechen noch ausführlicher“, sagte Beate, „aber ich muss jetzt nach oben und fragen, wer am Liedernachmittag teilnehmen will.“
Ulrike nickte und Beate ging fast beschwingt wieder zurück, in die Küche, da wo Anna saß.
„Anna, wir wollen heute Nachmittag schöne alte Volkslieder singen. Möchtest du mitmachen?“, fragte Beate sie.
„Oh ja“, rief Anna sofort.
„Ich liebe doch so meine Heimat an der Ostsee und die Lieder darüber“, sagte Anna.
„Herbert, kommst du auch mit?“, fragte Beate ihn, der am Tisch Anna immer noch gegenübersaß.
„Natürlich kommt Herbert mit!“, sagte Anna fast im Befehlston, so dass Herbert nur blieb, zustimmend zu nicken.
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ALLTÄGLICHES-22.03.10
Es ist nun schon ein paar Jahre her, dass ich auf die Idee kam, den Alltag in mein Herz zu schließen.
Ich dachte, wenn ich ihn schon nicht ignorieren kann, dann arrangiere ich mich mit ihm und mit der Zeit werden wir vielleicht sogar Freunde.
Was würde er wohl sagen, wenn er reden könnte?
„Na, mein Dicker, heute hast du mich ja wieder ganz fest in den Arm genommen, frühmorgens jedenfalls?“
„Oh ja, das habe ich“, antworte ich ihm darauf.
„Du lügst mir einfach ins Gesicht!“, schnauzt mich nun der Alltag an.
„Warum?“
„Weil du heute Morgen nicht mich gedrückt hast, sondern dein Kopfkissen, und zwar so, dass du auf gar keinen Fall den Wecker hören konntest.“
„Stimmt“, seufze ich.
„Aber weißt du, Alltag, es ist zurzeit echt schlecht, sich zu motivieren. All die schrecklichen Bilder im Fernsehen, der Krieg in der Ukraine, man könnte die Lust verlieren an allem, was einem Spaß macht.“
„Das verstehe ich“, meint der Alltag.
„Aber reiß dich mal zusammen, geh deiner Arbeit nach, schreibe über das, was dich bedrückt und hör auf zu jammern. Wir alle sind von den Ereignissen betroffen und müssen trotzdem unser Bestes geben.“
„Na gut, Alltag, ich verspreche Besserung.“
„Wir sprechen uns wieder“, verabschiedet sich der Alltag. Das klingt für mich bedrohlich.
SCHREIB-ALLTAG-22.03.09
Der Krieg in der Ukraine stellt die Welt auf den Kopf. Sie bringt auch deine eigene ins Wanken.
Da ist die Frage was es bedeutet, im Angesicht großer Ängste und Sorgen im Alltag durchzuhalten, sich trotzdem auf das eigene Leben zu konzentrieren.
Das ist besser möglich und intensiver zu veranschaulichen, wenn es anhand von erzählten Geschichten passiert. Der Schriftsteller James
N. Frey hat dazu einmal geschrieben:
„Während Sie mit Ihren Figuren ringen und versuchen, sie zu verstehen, zu motivieren und sie so echt und glaubwürdig wie möglich zu machen, ihnen wirklich Mut und Selbstgefühle zu geben, werden Sie feststellen, dass Sie beginnen, die Welt mit anderen Augen zu sehen und Sie werden eine neue positive Seite an sich entdecken.“ (1)
‚Die Welt mit anderen Augen sehen‘- ja, das will ich tatsächlich.
Aber es fällt schwer, angesichts der Bilder über den Krieg, das Leiden, den Tod und die Angst der Menschen, einfach zu überleben.
Wer hätte schon gedacht, dass wir uns noch einmal mit dem auseinandersetzen müssen, was unsere Eltern und Großeltern erfahren haben.
Nie wäre es mir in den Sinn gekommen, zu erleben, weinende Kinder, schreiende Mütter, alte Frauen im Fernsehen zu sehen und zu begreifen, dass dies nicht handelnde Personen in einem Film sind, sondern in der Wirklichkeit, mitten in Europa.
Das alles zu verarbeiten, zu erfahren, wo man selbst in dieser Zeit, welche Erfahrungen und Erinnerungen durch den eigenen Kopf gehen – das kann man am besten, indem man schreibt.
Schreiben heißt, über dein Leben nachzudenken
Dieses Schreiben zwingt dich, konzentriert zu sein. Es schärft einfach deinen Verstand, und es steigert auch dein Vermögen, Erlebtes zu verarbeiten und niederzuschreiben.
Du bekommst das Gefühl, etwas Gutes zu tun, dein Leben und vielleicht das des einen oder anderen Lesers zu verändern.
Das bedeutet natürlich auf der anderen Seite, tief in sich selbst hineinzublicken, Erinnerungen wachzurufen, zu überlegen, wie man das alles zu Papier bringt.
Das beginnt bei dem, woran ich zurzeit arbeite – bei ‚Thure aus Schebsand‘ – mit dem Gedanken, wieviel ‚Thure‘ von dir selbst in der Figur sein soll.
Wie löst du es, dass du zwar in der Gegenwart schreibst, aber in die Vergangenheit der Figuren blickst, überlegst, wie du beides miteinander verbinden kannst, ohne dass die geschilderten Ereignisse zu häufig hin- und herspringen.
Ich habe lange überlegt, aus welcher Erzählperspektive heraus ich schreibe – der des ‚Ich-Erzählers‘ oder doch eher aus der Sicht des personalen Erzählers in der ‚Er-Form‘?
Davon soll der nächste Beitrag handeln.
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ALLTÄGLICHES-2022.03.08
Man muss nicht alles mögen und teilen, was Friedrich Nietzsche gesagt und geschrieben hat. Seine Ideen zu lesen und zu kennen allerdings schärft deinen Blick für den Alltag, bringt dich zum Nachdenken über eigene Positionen, Einstellungen und Handlungen. Und das allein ist schon ein Wert an sich.
ALLTÄGLICHES-2022.03.08
„…In einer Partei gab es einen Menschen, der zu ängstlich und feige war, um je seinen Kameraden zu widersprechen: man brauchte ihn zu jedem Dienst, man erlangte von ihm alles, weil er sich vor der schlechten Meinung bei seinen Gesellen mehr als vor dem Tode fürchtete; es war eine erbärmliche schwache Seele.
Sie erkannten dies und machten aufgrund der erwähnten Eigenschaften aus ihm einen Heros und zuletzt gar einen Märtyrer.
Obwohl der feige Mensch innerlich immer Nein sagte, sprach er mit den Lippen immer Ja, selbst noch auf dem Schafott, als er für die Ansichten seiner Partei starb: neben ihm nämlich stand einer seiner alten Genossen, der ihn durch Wort und Blick so tyrannisierte, dass er wirklich auf die anständigste Weise den Tod erlitt und seitdem als Märtyrer und großer Charakter gefeiert wird.“ (1)
(1)
Friedrich Nietzsche, Gesammelte Werke, Anaconda Verlag GmbH Köln, ISBN 978-3-86 647-755-1, S.166, (73)
ALLTÄGLICHES-22.03.07
JOHANNES 16, 32-33
Anmerkung:
Die Angst, von der hier gesprochen wird, meint die endzeitlichen ‚Bedrängnisse‘.
Aktueller denn je, wenn man auf die Ereignisse in der Ukraine blickt.
Vgl. dazu auch: Stuttgarter Erklärungsbibel mit Apokryphen, Die Heilige Schrift nach der Übersetzung Martin Luthers, mit Einführungen und Erklärungen; Deutsche Bibelgesellschaft. ISBN 978-3-438-01123-7 Neuausgabe mit Apokryphen © 2005 Deutsche Bibelgesellschaft Zweite, verbesserte Auflage 2007, 10.2016, S. 1596
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ALLTÄGLICHES-2022.03.05
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MENSCHEN IM ALLTAG-2022.03.04
Janine hat ihr ganzes bisheriges Leben in Bernau verbracht.
Hier ist sie in die zehnklassige Realschule gegangen und hat ihre Ausbildung zur Köchin absolviert.
Sie hat danach noch auf der Basis einer geringfügigen Beschäftigung in der gleichen Einrichtung weitergearbeitet.
Anschließend war sie im „Familiengarten“ in Eberswalde, später in einem Ausflugslokal in Steinbeck, schließlich auf einem Campingplatz in Tiefensee tätig.
Sie war dort überall nicht so wirklich glücklich – es gab viel Arbeit und eine geringe
Entlohnung.
Also suchte sie etwas, wo sie sich selbst verwirklichen konnte.
Der Zufall verhalf ihr und ihrem damaligen Lebensgefährten zu einem Pachtvertrag für den Imbiss im Schönefelder Weg in Bernau, einem Pförtnerhäuschen.
Später wurden sie von der Vermieterin gekündigt, weil diese mehr Pacht wollte.
2012 übernahmen sie den Imbiss, in dem Janine noch heute tätig ist.
Mit einmal hatte sie 60 Plätze anstelle von 20 aus dem vorherigen Imbiss zu bewirtschaften.
Der Vorgänger war nur ein halbes Jahr dringeblieben.
Sie hat nie aufgegeben, trotz ihrer zahlreichen Schicksalsschläge.
Die Mutter starb vor knapp vier Jahren – sie hat in der Küche und beim Abräumen des Geschirrs geholfen, sie war auch die Seelentrösterin für sie.
Wenig später erkrankte der Lebensgefährte schwer. Janine hat ihm viel geholfen, auch privat.
Die Partnerschaft hielt nicht.
Seit nunmehr über drei Jahren bewirtschaftet Janine den Imbiss allein, wird unterstützt von
ihrer neuen Mitarbeiterin, Jutta, die in der Küche und im Service aushilft.
„Auch wenn es eine noch so schwere Zeit war – das alles hat mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Ich habe mich zum Positiven entwickelt“, sagte sie.
Das Essen soll im Imbiss schmecken, wie bei „Muttern zuhause“.
Janine kocht so, wie sie es auch selbst gern essen mag.
Sie bereitet so viel wie möglich frisch zu, zum Beispiel die Curry-Soße. Die Bratwurst dazu kommt vom Fleischer ihres Vertrauens.
Wenn der Lockdown vorbei ist, wird der Laden wieder voll sein.
Es kommen Handwerker vorbei, hauptsächlich Bauarbeiter, aber auch Menschen, die ringsherum in den Gebäuden im Gewerbegebiet arbeiten.
Janine hat ein gutes Gedächtnis, was ihre Kunden anbetrifft, die zu ihr reinkommen.
Im Gespräch sagte sie mir einen Satz, der auf den Punkt bringt, was den Imbiss und vor allem ihre Inhaberin ausmacht: „Ich kenne die Gäste zum großen Teil mit Namen, weiß genau, was sie essen und trinken wollen, wo sie sitzen möchten. Ich wünsche mir normale Kunden, mit denen ich erzählen kann, und die den Imbiss gut finden – das Essen und die Atmosphäre.“
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https://uwemuellererzaehlt.de/2022/01/02/menschen-im-alltag-2017-2021/
https://uwemuellererzaehlt.de/ueber-menschen-erzaehlen/firmenportraets/
MENSCHEN IM ALLTAG-2022.03.02
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https://uwemuellererzaehlt.de/2022/01/02/menschen-im-alltag-2017-2021/
https://uwemuellererzaehlt.de/ueber-menschen-erzaehlen/firmenportraets/
ALLTÄGLICHES-2022.03.01
Man muss nicht alles mögen und teilen, was Friedrich Nietzsche gesagt und geschrieben hat. Seine Ideen zu lesen und zu kennen allerdings schärft deinen Blick für den Alltag, bringt dich zum Nachdenken über eigene Positionen, Einstellungen und Handlungen. Und das allein ist schon ein Wert an sich.
„Missverständnis über die Tugend.- Wer die Untugend in Verbindung mit der Lust kennengelernt hat – wie der, welcher eine genusssüchtige Jugend hinter sich hat – bildet sich ein, dass die Tugend mit der Unlust verbunden sein müsse.
Wer dagegen von seinen Leidenschaften und Lastern sehr geplagt worden ist, ersehnt in der Tugend die Ruhe und das Glück der Seele.
Daher ist es möglich, dass zwei Tugendhafte einander gar nicht verstehen.“ (1)
Friedrich Nietzsche, Gesammelte Werke, Anaconda Verlag GmbH Köln, ISBN 978-3-86 647-755-1, S.166, (75)