JEEPY-2021.10.22
Der Opa von Krümel erinnerte sich daran, wie er vor vier Jahren mit ‚Bobby‘, dem Mercedes, nach Buch gedüst war, weil Laura schwanger war. Wenig später kam Krümel zur Welt.
Er begann darüber nachzudenken, kleinere Abenteuer aufzuschreiben, die er mit dem neuen Auto, dem kleinen Jeep, erlebt hatte - mit ‚Jeepy‘.
Jeepy war viel kleiner als sein Vorgänger, der Umwelt zuliebe.
Krümel sollte ein bisschen Spaß daran haben, wenn sie später einmal die kleinen Geschichten lesen würde, die ‚Jeepy‘ erzählte.
Krümel war vor einigen Tagen vier Jahre alt geworden.
Da kramte ihr Opa den Brief wieder hervor, den er ihr geschrieben hatte.
Lieber Krümel, während ich hier an dich einen Brief schreibe, da tobst du noch im Kindergarten herum.
Vielleicht schläfst du ja auch noch. Es ist gerade Mittag. Oder bist du schon wach? Bald holt deine Mama dich ab, und du wirst juchzen vor Glück, wenn du sie siehst.
Weißt du noch, als ich dich abgeholt habe? Wie wir mit dem falschen Kinderwagen losgefahren sind und ich deine Hose und deine Schuhe, mit denen vom Nachbarkind verwechselt habe?
Aber du hast in der Situation gemächlich an deinem Kuchen herumgekaut und ich musste vor lauter Verzweiflung die kleinen Stücke, die du gleichmäßig auf dem Boden verstreut hast, aufheben und schnell in meine Hosentasche stopfen.
Manchmal finde ich noch heute ein paar Krümel davon. Aber das macht nichts. Ich denke dann sofort an dich und wie du mich umarmt hast, in dem Moment, wo ich dich auf die Wickelkommode gehievt habe, um dir deine Hose besser anzuziehen.
Jetzt ist mir wieder etwas eingefallen, was ich längst tun wollte. Nämlich kleinere Geschichten zu erzählen, die wir mit „Jeepy“ erlebt haben und noch erleben werden.
‚Jeepy‘ ist unser kleiner Geländewagen, der hier draußen unter dem Carport steht und friert. Den Namen hat er von deiner Mama bekommen.
Weißt du früher, da habe ich immer für deine Mama, Laura, kleinere Geschichten über unsere Autos geschrieben. Die hatten ja alle Namen.
Nur der Trabbi nicht. Wir dachten damals, das müsste nicht sein, denn wir würden ohnehin bis ans Lebensende nur diesen einen Wagen fahren.
Dafür habe ich ihn von innen mit schöner Latexfarbe gestrichen, also nur den Kofferraum. Denn am nächsten Tag fuhren wir in den Urlaub nach Thüringen. Da sollte alles frisch renoviert sein.
Ich kann mich noch erinnern, wie deine Oma aufschrie und dann schrill kreischte. „Das kann doch nicht wahr sein!“ Doch, war es aber.
Gut, die Farbe war nicht ganz trocken geworden und so blieb etwas davon an den Koffern kleben, als sie diese im Kofferraum verstauen wollte.
Oma sah mich an, als wollte sie mich auf der Stelle umbringen. Aber du siehst, ich lebe noch und kann dir davon erzählen.
Später kam dann ‚Flippi‘, der Lada. Danach war ‚Orli‘ an der Reihe, der lange BMW. Davon berichte ich dir später noch. Da war in der Mitte ein Telefon eingebaut.
Und ich habe mich hinten rechts hingesetzt, um wie ein Generaldirektor zu fahren und währenddessen zu telefonieren. Das klappte aber nur, wenn ich auf dem Parkplatz stand. Ich hatte ja keinen Chauffeur.
Schließlich war ‚Bobby‘ dran. Mit dem sind wir 15 Jahre gefahren. Das war ein großer Geländewagen, sehr gemütlich und robust. Damit bin ich sogar noch nach Berlin-Buch gefahren, um dich nach deiner Geburt zu begrüßen.
Doch zuvor, in der Nacht, da sind wir über die menschenleeren Straßen gesaust – deine Mama, Oma und ich.
Du warst noch im Bauch deiner Mama. Am nächsten Morgen hörten wir die ersten Schreie von dir und nachmittags haben wir dich dann in der großen Wiege gesehen.
Das Bett war eigentlich nur ein kleines ‚Bettchen‘. Aber du warst noch kleiner. Das hat Bobby alles miterlebt. Er stand immer in deiner Nähe, auf dem Parkplatz in Buch.
Jetzt fährt er wahrscheinlich in Afrika umher, auf unbefestigten Straßen und verflucht mich. Wenigstens wird ihn keiner mehr anpöbeln.
Manchmal bekam er verachtende Blicke, weil er ein Diesel war und die Menschen, nur vereinzelt, natürlich, ihn deshalb beschimpften.
Naja besser gesagt, mich. Aber ich habe meine Ohren zugeklappt.
Und nun also ‚Jeepy‘. Wieder ein Geländewagen. Ein Benziner. Nur kleiner eben. Damit sind wir schon gemeinsam bis zur Ostsee in den Urlaub gefahren.
Das weißt du nicht mehr. Du hast meist geschlafen, während ich über die Autobahn gedüst bin. Irgendwie muss ich deine Mama noch davon überzeugen, dass sie mir mal ein schönes Bild von ‚Jeepy‘ macht. Naja, das kriegen wir schon alles hin.
Später, wenn du größer bist und lesen kannst, dann liest du die Geschichten hoffentlich. Und vorher lese ich sie dir eben vor, oder Mama macht das.
Wenn es gut läuft, dann machst du vielleicht die Sirenen von deinem Feuerwehrauto an, und außerdem das Heulen dazu, von der Dampflokomotive.
Glaub‘ mir, in dem Moment ist es wirklich egal, was wir sagen. Es hört ja doch keiner mehr etwas.
JEEPY ERZÄHLT VON ORLI UND BERLINGA
Orli, der frühere BMW des Fahrers von Jeepy und Berlinga, der kleine Renault, freunden sich bei einer Panne an, als nämlich Berlinga einen Reifen auf der Autobahn geplatzt war.
Hallo Krümel, hier ist wieder Jeepy, dein Freund.
Ich erzähle schon jetzt mal ein paar Geschichten für dich, die du später lesen kannst, oder deine Mama liest sie dir vor.
Sie macht das wohl jetzt schon und du lachst sie manchmal dazu an. Das ist doch schon was. Die Zeit rennt und ehe wir uns umgesehen haben, da sitzt du bei deinem Opa auf der Schreibtischplatte im Arbeitszimmer und er liest dir eine Geschichte vor.
Er hat früher deiner Mama immer Geschichten von den Autos erzählt, die sie gefahren sind.
Plötzlich nahmen sie menschliche Gestalt an und dein Opa, mein heutiger Fahrer, konnte mit ihnen gemeinsam herrliche Abenteuer erleben. Er war viel unterwegs, sehr viel sogar.
Dein Opa hatte schon mehrere Autos, bis ich kam, wie du ja schon aus meinen Erzählungen weisst.
Da waren der kleine Trabbi, den er mit Latexfarbe innen gestrichen hat, dann war es Flippi, der weiße Lada, mit dem alle sehr gern gefahren sind.
Nach der Wende dann kam Orli, ein großer BMW. Den hatte dein Opa, weil er sehr viele Kilometer fahren musste.
Schließlich trat Bobby, der dicke Geländewagen in das Leben deiner Mama, deiner Oma und deinem Opa.
Dein Opa hat mir erzählt, wie Orli in einer Tiefgarage in Bad Hersfeld stand und den kleinen Renault, Berlinga sah.
Orli wollte unbedingt ihr Freund werden.
Berlinga aber war anfangs hochnäsig, bis zu dem Tag, an dem ihr der hintere rechte Reifen auf der Autobahn platzte und Orli vorbeikam.
Von weitem näherte sich der gelbe Abschleppwagen und alle atmeten auf.
„Das kriegen wir schnell hin“, sagte der Monteur und hatte in Windeseile die Muttern von Berlingas hinterem Reifen gelockert.
Nach ein paar Minuten konnte Berlinga wieder richtig stehen und hatte keine Schmerzen mehr.
„Weißt du eigentlich, dass du es dem langen BMW zu verdanken hast, dass dir so schnell geholfen wurde?“, fragte der Fahrer von Berlinga sie.
„Ja, weiß ich. Ich kenn den.“
„Woher kennst du ihn?“
„Wir standen manchmal beieinander, in der Tiefgarage. Da ist er mir auf die Nerven gegangen, weil er so viel erzählt hat.“
„Ach, das ist ja interessant“, staunte Berlingas Fahrer nicht schlecht.
„Und, willst du dich nicht wenigstens bei ihm bedanken?“, hakte Berlingas Fahrer weiter nach.
„Ja, mach‘ ich“, sagte Berlinga leise und schämte sich jetzt.
„Du, danke, dass du angehalten hast und du deinen Fahrer dazu gebracht hast, dass der den Abschleppdienst holt.“
„Schon gut“, antwortete Orli verlegen.
„Kommst du mit mir am Samstag mit zur Autoschau in Bad Hersfeld?“, fragte Berlinga.
„Würde ich ja gern. Aber mein Fahrer will am Wochenende nach Hause. Der fährt nachts auf der A2 immer wie eine besengte Sau und ich komme ganz außer Puste.“
„Schade, dass du nicht mitkommen kannst. Na, dann bis nächsten Montag in der Tiefgarage an der gleichen Stelle“, sagte Berlinga noch.
„Ja, an der gleichen Stelle“, erwiderte Orli, bevor sein Fahrer sich ins Auto wuchtete, den Motor anließ und Orli davonbrauste.
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